In diesem Sinne können in Österreich, auch wenn oft erst deutlich später dokumentarisch fassbar, S. überall dort angenommen werden (oft in Gruppen von 6 oder 12, Zyklus), wo eine sog. äußere oder Latein-Schule geführt wurde, d. h. nicht nur in größeren Klöstern zumindest ab dem 12. Jh. (z. B. in Wilten 1235, Zwettl 1383, Seitenstetten 1419), sondern spätestens ab dem 14. Jh. (wie an St. Stephan in Wien und bald darauf am Schottenstift) auch in kleineren Städten (z. B. in Gmunden, Schärding 1395, in Ried i. I. 1459). Für ihre Unterbringung und Ausbildung war in geistlichen Institutionen meist ein eigener magister („Sangmeister“, z. B. in Altenburg 1362, in Salzburg wohl nicht erst 1393) zuständig, in Städten ganz in handwerklichem Sinn der Schulmeister, der sie auch versorgte und dafür extra entlohnt wurde (z. B. N. Leopold).
Auf allgemeine Verbreitung in den Klöstern zumindest ab dem frühen 15. Jh. lassen Formulierungen schließen, mit denen im Zuge der Melker Reform der süddeutsch-österreichischen Benediktinerklöster versucht wurde, die Beteiligung weltlicher Sänger und S. am Chorgebet zu verbieten, v. a. aber letztere von den Geistlichen zu trennen. (Gründe dafür waren sowohl musikalische wie die Zurückdrängung von Mehrstimmigkeit und weltlichen Liedern, als auch Kritik an ihrer Betreuung.) Es ist daher nicht weiter auffällig, dass abermals Benediktinerstifte unter den ersten waren, in denen im Zuge der Schaffung von eigenen (d. h. vom Mönchschor abgesetzten) Kantoreien für polyphone („auf brabantisch“, z. B. in Kremsmünster spätestens ab 1515; franko-flämische Musik) und schließlich auch konzertante Kirchenmusik ab dem frühen 16. Jh. eigene S.-Konvikte (Museum) eingerichtet wurden (z. B. in Lambach 1509, Mondsee vor 1521; nur wenig später folgten Zisterzienser von Heiligenkreuz oder Lilienfeld, um 1600, ebenso Augustiner-Chorherren in St. Florian (1612), schließlich St. Paul im Lavanttal, zw. 1616/38, u. a.). Für Zwettl verfasste der S.-Präfekt und spätere Abt Melchior von Zaunagg im Jahre 1700 eine (jesuitisch geprägte) Instruktion für den Tagesablauf der Schüler.
Da sie in dieser Hinsicht den geistlichen Institutionen vollkommen entsprechende Ansprüche zu befriedigen hatten, waren auch die Hofkapellen (Kapelle) weltlicher Herrscher auf S. angewiesen (Hofmusikkapellen, spätestens ab dem 14. Jh. in habsburgischen Residenzen, vorerst stärker an die Höfe gebunden [Jacobus de Holandia] als an Orte, z. B. Innsbruck, Graz, Wiener Neustadt, Wien). Auch in solchen waren zweifellos schon S. gehalten worden, bevor eigene Einrichtungen für sie dokumentarisch belegt sind (z. B. Schule an der neuen Grazer Burg durch K. Friedrich III., um 1438, angebliche Gründung der Wiener Hofmusikkapelle durch dessen Sohn Maximilian I., 1498). Aus prinzipiell ungebrochener Tradition ihrer Bindung an den Hof als Träger versteht sich z. B., dass die Wiener Hofsängerknaben im 18. Jh. auch im Chor der Hofoper auszuhelfen hatten. Institutionell hat es hingegen (wie auch in diesem Fall, Wiener Sängerknaben) mehrfach Brüche gegeben. Trotzdem kann, wie die Biographien von J. Gallus oder J. J. Fux, der Brüder Haydn, von Fr. Schubert, A. Bruckner oder H. K. Gruber zeigen, die Bedeutung solcher Institutionen für die Musik bis in jüngste Zeit nicht überschätzt werden.
Fast alle geistlichen kamen im Zuge des Josephinismus zum Erliegen und wurden später nur mehr vereinzelt (und noch seltener erfolgreich) wiederbelebt, z. B. in: Heiligenkreuz (Hausordnung 1815), Admont (1820–1921), St. Florian (1824 reorganisiert), Wilten (1820–36), Seitenstetten (1814–1938), St. Lambrecht (1835–1932), Lambach (vor 1872–1927), Kremsmünster (1858–1938) oder im Salzburger Kapellhaus (Domsingknaben-Institut unter J. J. Fuetsch). In gewisser Weise und z. T. ebenfalls mit viel älteren Traditionen (z. B. Schotten [W. Schmeltzl], Kremsmünster 1549) traten an ihre Stelle im 19. und frühen 20. Jh. Stiftsgymnasien und -konvikte, die jedoch ungleich breitere Wirkung, nämlich als allgemeine Ausbildungszentren, anstrebten. In ihnen stand und steht Musik nicht mehr im Mittelpunkt, doch werden oft informell weiterhin S. in der Kirchenmusik eingesetzt (z. B. in St. Paul nach 1809, Kremsmünster 1819–58, 1945–ca.1980). Ohne ältere Vorbilder undenkbar wären Neugründungen wie z. B. die Sängerknaben vom Wienerwald (1921). In mehreren österreichischen Stiften wurde die abgebrochene S.-Tradition nach dem Zweiten Weltkrieg wieder aufgenommen (Wilten 1946 [durch Otto Karasek OPraem und N. Gerhold], Zwettl 1945, Altenburg 1961; das 1949 wiederbegründete Göttweiger S.-Institut wurde mangels Nachwuchs 1999 geschlossen). So ist heute (2005) von einer Jahrtausende alten Tradition nur mehr ein kleiner, nämlich fast nur mehr der kommerziell verwertbare Teil (Musikindustrie) übrig geblieben.
E. Kimmeswenger, Musikpflege im Benediktinerstift Seitenstetten am Beispiel der Seitenstettner S. , Dipl.arb. Wien 2000; P. H. Özelt in 1959–60 des Bundes-Gymnasiums und -Realgymnasiums Krems 1960; 50 Jahre Wiltener S. 1946–1996 [o. J.]; E. Bernauer, Anton Bruckners S.zeit , Dipl.arb. Wien 1994; MGÖ 1–2 (1995); J. Angerer, Die liturgisch-musikalische Erneuerung der Melker Reform 1974, 115ff; E. Hilscher, Mit Leier und Schwert 2000; SchubertL 1997 [Stadtkonvikt]; ÖL 1995; Mitt. Stift Zwettl; eigene Recherchen
Rudolf Flotzinger