Satztechnisch offerierten Verlage entsprechende Musiknummern als Streichtrios, zudem edierte man eine Klavier- oder Violin-Direktionsstimme mit Stichnoten zur Markierung des musikalischen Verlaufs. Tatsächlich spielten beliebig viele Instrumente im Einklang, in der Oktave oder als Füllstimme mit. Die Anzahl der Mitwirkenden resultierte aus dem Budget des Veranstalters, dem Ort und Anlass sowie der Verfügbarkeit von Instrumentalisten. Durch die beliebige Erweiterbarkeit des S.s konnte mitunter die Dimension eines Symphonieorchesters erreicht werden. Die Art der Ausführung einer Komposition bestimmte die Begabung des Kapellmeisters, der Füllstimmen mit Figurationen versehen, virtuose Ausschmückungen hinzufügen oder auch Kontrapunkte ergänzen konnte. V. a. bei Wiederholungen eines Formteils wurden Modifikationen vorgenommen, und am Schluss einer Nummer sorgte man für besondere Klangeffekte zur Stimulierung des Publikums. Da S. am freien Markt bestehen mussten, wurden etwa in Wien ab 1840 zusätzliche Attraktionen geboten: besondere Dekorationen, Spiele mit Publikumsbeteiligung, Lichteffekte oder auch Feuerwerke. Das Repertoire der S. umfasste jegliche Musik, die das Publikum akzeptierte; folglich waren im frühen 19. Jh. einzelne Symphonie- oder Konzertsätze ebenso vertreten wie Tanzmusik, Charakterstücke, instrumental ausgeführte Opernarien, bald Salonmusik, später Couplets aus Singspielen und Operetten, mitunter Ballett-, Opern- oder Operettenpotpourris (Potpourri), in Wien zudem Wienerlieder, nach 1918 Schlager, Songs und Jazznummern, ab den 1930er Jahren zusätzlich Filmmusik. Bis in die 1870er Jahre organisierten S. ihre Programmfolge in zwei Teilen: Am Beginn bot man Novitäten aus der Kunstmusik; nach der Pause Musik zum Tanzen. Trat das S. in einem Kaffeehaus (Kaffeehausmusik), einer Gaststätte oder im Kurpavillon (Kur und Sommerfrische) auf, blieb die Programmfolge aufrecht, allerdings fungierte Tanzmusik dann als Darbietungsmusik.
Die Auftragslage der S. gestaltete sich stets willkürlich. Wer ein S. unter Vertrag nahm, dem lag an der kommerziellen Nutzung von Musik: in Vergnügungslokalen und Etablissements zur Erhöhung der Besucherfrequenz, in Gasthäusern und Kaffeehäusern zur Steigerung des Konsums, im Tourismusbereich zur Animation der Gäste. Dieser Usus disqualifizierte S. aus der Sicht der Kunstmusik; häufig beklagte man die Entstellung von Werken des 18. und 19. Jh.s, wobei der viel größere Nutzen für deren Verbreitung oft unbeachtet blieb. Zudem erfüllten S. ursprünglich die höchsten Qualitätskriterien: Anstellungsverträge für Musikerinnen und Musiker belegen, dass Intonations- und Interpretationsfehler als Kündigungsgrund galten. Gegen Ende des 19. Jh.s war die Repertoire-Entwicklung hin zur Fixierung auf sog. Salonmusik abgeschlossen, denn die Komplexität neuer Kunstmusik ließ die Präsentation von Novitäten obsolet werden. Dieses Vakuum füllte die Massenproduktion an neuer Salonmusik. Zu der Zeit erschloss sich dem S. aber auch das neue Aufgabengebiet der Untermalung von Stummfilmen. Da längere Zeit kaum eigens komponierte Musik vorlag, bestritten S. die Aufgabe aus ihrem ursprünglichen Repertoire. Frühe Filmmusik ist mit dem Repertoire von S. identisch.
Die Wiener Eigenheit des „Stehgeigers“ verbindet sich mit J. Strauss Vater, der mit der Violine vor sein S. trat; nach seinem unerwarteten Tod übernahm J. Strauss Sohn einen Großteil der Musiker in das eigene S., das nun an die 50 Musiker umfasste und das er trotz der Dimension als Stehgeiger leitete. Von seinen Brüdern forderte er die gleiche Kompetenz. Mithin optimierte die Strauss-Dynastie über mehr als 75 Jahre dieses noch im 20. Jh. verbindliche Prinzip. Als berühmtester Konkurrent trat C. M. Ziehrer nach seiner Ära als Militärkapellmeister 1893 mit einem eigenen S. hervor. Weitere S. gründeten u. a. C. W. Drescher, D. Ertl, auch K. Kratzl, dessen S. vom Etablissement Ronacher übernommen wurde. Als Stehgeiger dirigierte G. Macho sein S. bis zuletzt, O. Rauscher behielt diese Tradition bis 1955 bei. Einen besonderen Weg, der Konkurrenz trotzen zu können, fand H. Kliment sen., indem er sein Blasorchester und sein S. alternierend spielen ließ. Dass in den 1920er Jahren S. und Jazzkapelle sehr eng verbunden waren, zeigt die Karriere von F. Jecha. Er spezialisierte sein S. auf neue Tanzmusik und gewann 1936 das „Goldene Band“ beim Jazzkapellenwettbewerb im Wiener Konzerthaus.
Die Musikerarbeitslosigkeit während der Wirtschaftskrise der 1920er Jahre führte zur vermehrten Gründung von S.n. Chancen auf Auslastung ergaben sich aus dem großen Musikbedarf der neuen Rundfunkanstalten (Rundfunk und Fernsehen). Zudem verschaffte die Etablierung des Tonfilms S.n neue Betätigungsfelder.
Lang 1986; Flotzinger 1988; K. Kogler in P. W. Fürst (Hg.), Zur Situation der Musik in Österreich. Schloss Schlosshof 1989–93 , 1994; W. Salmen in Musikgesch. in Bildern IV/3 (1969); eigene Recherchen.