Schgraffer Schgraffer true
(Sgraffer, Schraffer), Jakob Johann Anton
*
1799-05-1515.5.1799
Bozen/Südtirol (Bolzano/I),
†
1859-03-2323.3.1859 Bozen.
Komponist, Organist, Kapellmeister und Cafetier.
Als Sohn des Fassbinders Jakob Sch. (1753–1802) und dessen Gattin Maria Riegler (1768–1813) stammte er aus einer alten
Bozner, in Handwerk und Gastbetrieb tätigen Familie. Früh verwaist, wuchs er bei einem Onkel väterlicherseits, einem Cafetier und Oboisten, auf. Bald wurde sein musikalisches Talent offenkundig, so dass sich wohlhabende Bozner Bürger fanden und seine musikalische Ausbildung finanzierten. Sch. erhielt in
Trient 1816–18 bei
M. Stecher Orgel- und Klavierunterricht. In
Mailand/I studierte er am Konservatorium 1821–23 Komposition bei Vincenzo Federici (1764–1826). Dort erhielt er während seines letzten Studienjahres einen Preis als bester Kompositionsschüler. Im Rahmen der alljährlichen
Akademie des Konservatoriums wurde am 4.10.1823 seine
Sinfonia per grande orchestra aufgeführt, im vierhändigen
Klavierauszug erschienen bei Giuseppe Antonio Carulli, Mailand (o. J.). Wie wohl schon in Trient brach Sch. sein Studium in Mailand ab, um in seiner Heimatstadt beruflich Fuß fassen zu können; am 22.11.1823 trat er in Bozen das Amt des Pfarrorganisten an und übte es bis wenige Tage vor seinem Tod aus. Nach 1840 gründete er die
botznerische Kapelle neu (die spätere
Bürgermusik, auch als
Musik-Dilettanten-Gesellschaft u. a. bezeichnet, ihr Auftritt unter Sch. ist erstmals 1844 belegt) und leitete sie bis 1856 als Kapellmeister. Sch. besaß eine stattliche Musikaliensammlung. Zu den Zeitgenossen, mit denen er Kontakte pflegte, gehörte vor allem
J. A. Ladurner in
Brixen (Briefwechsel, 1841–44, erhalten in I-BZap).
J. F. Sonnleitner ersuchte Sch. 1828 namens der
Gesellschaft der Musikfreunde in Wien um dessen Biografie und
Werkverzeichnis. Neben seinen musikalischen Aktivitäten führte Sch. ein Kaffeehaus in Bozens Zentrum (heute Waltherplatz.
Sch. gehört mit seinen kirchenmusikalischen Werken zu den bedeutenden Südtiroler Komponisten des 19. Jh.s. Während seine Stücke für Orchester und die Kantaten brillant und kontrastreich gehalten sind, ganz im Stil der italienischen Oper des frühen 19. Jh.s, ist seiner Sakralmusik in der Regel eine schlichtere Ausdrucksweise eigen, mit liedhaften Melodien, im Satz meist homophon, diatonisch. Seine unterschiedliche, jedoch immer eingängige Kompositionsweise brachte ihm zu Lebzeiten einen großen Bekanntheitsgrad. Ein Spezifikum insbesondere seiner kleineren Kirchenmusikwerke sind imposante Blasmusikbesetzungen, mit bis zu ca. 25 verschiedenen Blechblasinstrumenten, in den entsprechenden Handschriften (z. B. in I-BREd) teilweise als Türkische Musik bezeichnet. Gleichsam ein „Stadtmusikus“, war er als Komponist wie Ausführender an allen wichtigen Festivitäten Bozens aktiv beteiligt, in Trient, Innsbruck oder Salzburg schätzte man ihn sehr (vgl. A-Ik, A-Sfr). Ein Teil von Sch.s kleineren Werken erschien gedruckt, hauptsächlich bei Anton Böhm in Augsburg/D (um 1840?, Kirchenmusik), vereinzelt in Bozen, Brixen, Innsbruck, Mailand, Wien.
Ehrenmitglied des Innsbrucker Musikvereins 1829.
Catalogo di musica composta da Giacomo Schgraffer ca. 1830ff (Autograph I-BZf).
Kirchenmusik (ca. 100 Werke: Messen [s.
Tbsp.], Requiem, Propriumsgesänge, Hymnen, Litaneien, Psalmen, Stabat Mater u. a.), Oratorium
Die Angst und der Tod des Erlösers (1851), weltliche Kantaten, Chöre (meist anlassbezogen), Orchesterwerke (Symphonie, Ouvertüren, Divertimenti [s.
Abb.], Pantomimen), Klavierstücke (u. a. nach Motiven aus Opern
G. Donizettis,
C. M. v. Webers),
Tiroler Schützenmarsch, Tiroler Schützenlied (für versch. Besetzungen). – Ein Großteil befindet sich in seinem (Teil-)Nachlass in I-BZf, andere seiner Dokumente in I-BZap
(Nachlass Nicolò Rasmo).
ÖBL 10 (1994); W. Senn (Hg.), J. Gänsbacher. Denkwürdigkeiten aus meinem Leben Johann Gänsbacher, Denkwürdigkeiten aus meinem Leben, hg. von Walter Senn. Thaur 1986.1986; H. Herrmann-Schneider, Die Musikhss. des Dominikanerinnenklosters Lienz im Tiroler Landesmuseum FerdinandeumHildegard Herrmann-Schneider, Die Musikhandschriften des Dominikanerinnenklosters Lienz im Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum. Innsbruck 1984. 1984 [mit weiterer Lit.]; H. Herrmann-Schneider, Die Musikhss. der Pfarrkirche und der Musikkapelle VilsHildegard Herrmann-Schneider, Die Musikhandschriften der Pfarrkirche und der Musikkapelle Vils. Thematischer Katalog (Beiträge zur Musikforschung in Tirol 2). Innsbruck 1993. 1993; H. Herrmann-Schneider in Der Schlern Hildegard Herrmann-Schneider, Zur Musikaliensammlung im Domkapitelarchiv Brixen, in Der Schlern 75 (2001), 941–956.75 (2001); H. Herrmann-Schneider in [Kgr.-Ber.] 1100 Jahre Brixen – 600 Jahre Cusanus Hildegard Herrmann-Schneider, Zur Musikaliensammlung im Domkapitelarchiv Brixen, in: Brixner Initiative Musik und Kirche und der Cusanus Akademie
(Hg.), 1100 Jahre Brixen - 600 Jahre Cusanus. Vierzehntes Symposion Brixen 11.-14. Oktober 2001. Brixen 2002, 49–102.2002; E. Knapp, Kirchenmusik SüdtirolsErnst Knapp, Kirchenmusik Südtirols – Südtiroler Kirchenmusikkomponisten im musikgeschichtlichen Zusammenhang. Bozen 1993. 1993; E. Knapp in K. Drexel/M. Fink (Hg.), Musikgesch. Tirols Ernst Knapp, Die Kirchenmusik Südtirols vom 17. bis zum Ende des 19. Jahrhunderts, in: Kurt Drexel (Hg.)/Monika Fink (Hg.), Musikgeschichte Tirols 2: Von der Frühen Neuzeit bis zum Ende des 19. Jahrhunderts (Schlern-Schriften 322). Innsbruck 2004, 287–337.2 (2004); G. Tonini in S. Martinotti (Hg.), La musica a Milano, in Lombardia e oltreGiuliano Tonini, 'Carissimo Giacomino…'. Il bolzanino Jakob Johann Schgraffer allievo di composizione all’Imperial Regio Conservatorio di musica di Milano del maestro Vincenzo Federici, in: Sergio Martinotti (Hg.), La musica a Milano, in Lombardia e oltre 2. Milano 2000, 153–232. (2000) [mit WV, manche Stücke nur bibliographisch nachweisbar; unvollständig; mit weiterer Lit.]; CD RISM A/II Musikhss. nach 1600 (2007).
Giulia Gabrielli
Hildegard Herrmann-Schneider
22.9.2017
Giulia Gabrielli/
Hildegard Herrmann-Schneider,
Art. „Schgraffer (Sgraffer, Schraffer), Jakob Johann Anton“,
in:
Oesterreichisches Musiklexikon online, begr. von Rudolf Flotzinger, hg. von Barbara Boisits (letzte inhaltliche Änderung:
22.9.2017, abgerufen am
),
https://dx.doi.org/10.1553/0x0001e0be
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