Nach dem Tode W. Ebners wurde er 1665 offiziell zum Ballettkomponisten ernannt und wirkte inoffiziell auch als Konzertmeister (offiziell 1669). Am 13.4.1671 wurde er Vizekapellmeister der Wiener Hofkapelle, wobei er in zunehmendem Maße Pflichten des kranken Hofkapellmeisters G. F. Sances übernahm. Am 14.6.1673 wurde er geadelt („Nobilitatio una cum denominatione von Ehrenruef“). Am 18.10. (also noch vor dem Tod G. F. Sances’ am 24.11.1679) mit Wirkung vom 1.10.1679 folgte Sch.s offizielle Ernennung – als erster Nicht-Italiener – zum Kapellmeister der Wiener Hofkapelle. Ende 1679 verließ er mit dem kaiserlichen Hof wegen der drohenden Pestgefahr Wien und ging nach Prag, wo er an der Pest starb.
Sch.s Bedeutung als Komponist liegt primär in der Instrumentalmusik, insbesondere in der Tanzkomposition und der Violinsonate. In seinen Balletten, die er zu beinahe allen musikdramatischen Produktionen am Wiener Hof zwischen 1665/80 sowie zu Hoffesten und Feiern, Komödien und Aufzügen komponierte, vereinte er italienische und französische Einflüsse mit volkstümlicher österreichischer Melodik und Anspielungen an die Bauernmusik (Nachahmung des Jodelns oder typischer Bauerninstrumente wie Dudelsack, Drehleier, Alphorn, Verwendung des Bordunbasses, vgl. Gavotta Styriaca, Balletti à 4). Als Tänze treten alle gängigen zeitgenössischen Typen auf (Sarabanda, Courante, Balletto, Gigue, Gavotte, Gagliarde, Allemande, Borea, Trezza, Ciaccona, Menuett u. a.). Die Anzahl der Sätze (2–9) und ihre Anordnung sind relativ frei, als Umrahmung treten häufig Intrada und Retirada oder als Eröffnungssatz gelegentlich eine Sonata auf.
Seine Violinkompositionen vermitteln zwar einen etwas weniger spektakulären Eindruck als jene seines deutschen Zeitgenossen Johann Jacob Walther, trotzdem legte er mit hoch entwickelter virtuoser Passagentechnik, doppelgriffigem Spiel, programmatischen Elementen (Fechtschule, Sonate Cucù), einem Tonumfang bis g’’’ (Sonata tertia aus der Sammlung Sonatae unarum fidium, 1664) oder der Skordatur eine entscheidende Basis für die Entwicklung des österreichischen Violinspiels vor H. I. F. Biber. Seine Sammlung Sonatae unarum fidium, seu a violino solo (Nürnberg 1664) mit sechs Sonaten für Violine und B. c. stellt den ältesten bisher bekannten Druck dar, der ausschließlich Sonaten für Violine enthält. Neben G. F. Sances, A. Bertali und A. Draghi einer der bedeutendsten Musiker am Wiener Hof zwischen 1655/80.
Sepolcri (Die Stärke der Liebe 1677, Die sieben Alter stimmen zusammen 1680, u. a.), Serenata Le veglie ossquiose (1679); 11 Messen, Offertorien, zwei Salve Regina, 173 geistliche Werke (verschollen), Kantaten, Madrigale; Instrumentalmusik: Duodena selectarum sonatarum applicata ad usum tam honesti fori, quam devoti chori, Nürnberg 1659 (K. Leopold I. gewidmet, 12 Sonaten und Sonatinen), Sacroprofanus concentus musicus fidium aliorumque instrumentorum, Nürnberg 1662 (Erzhzg. Leopold Wilhelm gewidmet, 13 Sonaten für 2–8 Stimmen), Sonatae unarum fidium, seu a violino solo, Nürnberg 1664 (6 Sonaten f. V. u. B.c.), 150 Ballette, 80 Sonaten Arie per il balletto a cavallo (Wien 1667): Ballettmusik zu La Contesa dell’Aria e dell’Acqua von A. Bertali [vgl. WV in NGroveD].
Von seinen elf Kindern aus erster und fünf Kindern aus zweiter Ehe (17.9.1668 mit Anna Johanna Schiessl) starben sieben bzw. zwei vorzeitig. Als Musiker wirkten seine Söhne
Andreas Anton: get. 26.11.1653 Wien, † 13.10.1701 Wien. Komponist, Violinist. Nach dem Unterricht bei seinem Vater wurde er ab 1.1.1671 als Violinist an der Wiener Hofkapelle angestellt. 1678 heiratete er Katharina Barbara Heinrichssohn. Nach dem Tode seines Vaters wirkte er (ab 27.2.1681) am Wiener Hof als Ballettkomponist und schuf ca. 75 Ballette, deren Qualität sich jedoch nicht mit den Werken seines Vaters vergleichen lässt. Wegen Krankheit 1693 von J. J. Hoffer abgelöst.
Peter Clemens (Clement): get. 28.6.1672 Wien, † 20.9.1746 Wien. Violinist. Mitglied der Wiener Hofkapelle vom 12.8.1692 bis zum 30.6.1740 (ab 1729 wegen einer Fingerverletzung dienstunfähig).
MGG 11 (1963); NGroveD 22 (2001); GerberATL 1792 [Johann Andreas Sch.]; GerberNTL 4 (1812–14); EitnerQ 9 (1903); F.-J. Fétis, Biographie universelle des musiciens et Bibliographie générale de la musique 8 (1844); E. Wellesz, Die Ballett-Suiten von J. H. und A. A. Sch. 1914; G. Beckmann, Das Violinspiel in Deutschland vor 1700, 1918; E. Wellesz in StMw 6 (1919); P. Nettl in StMw 8 (1921); F. Hadamowsky in Jb. der Ges. f. Wr. Theaterforschung 1951/1952 (1955); H. J. Moser in H. Zingerle (Hg.), [Fs.] W. Fischer 1956; F. W. Riedel, Das Musikarchiv im Minoritenkonvent zu Wien 1963; A. Koczirz in StMw 26 (1964); R. Flotzinger in StMw 26 (1964); J. Sehnal, Kapela olomouckého biskupa Karla Liechtensteina-Castelcorna (1664–1695) [Die Musikkapelle des Olmützer Bischofs Karl Liechtenstein-Castelcorn in Kremsier], Diss. Brno 1968; Knaus 1967, 1968, 1969; F. W. Riedel in W. Salmen (Hg.), [Kgr.-Ber.], Jakob Stainer und seine Zeit. Innsbruck 1983 , 1984, 123; Seifert 1985; H. Seifert in J. Sehnal (Hg.), Musik des 17. Jh.s und Pavel Vejvanovský. Kroměřiž 1993 , 1994; J. Sehnal/J. Pešková, Caroli de Liechtenstein-Castelcorno Episcopi Olomucensis Operum Artis Musicae Collectio Cremsirii Reservata 1998; D. Glüxam, Die Violinskordatur in der Gesch. des Violinspiels 1999; R. Topka, Der Hofstaat Kaiser Karl VI. , Diss. Wien 1954; Köchel 1869.