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Sibelius, Sibelius, true Jean
* 1865-12-088.12.1865 Hämeenlinna/FIN, † 1957-09-2020.9.1957 Järvenpää/FIN. Komponist. Zunächst Schüler von Richard Faltin, studierte S. ab 1885 bei Martin Wegelius am Musikinstitut (der heutigen S.-Akademie) in Helsinki. 1889/90 setzte er seine Ausbildung in Berlin bei Albert Becker fort und vertiefte die Freundschaft mit F. Busoni. Um den 25.10.1890 reiste S. – dem Beispiel seines Lehrers Wegelius' folgend – nach Wien, wo er von R. Fuchs (über Vermittlung durch H. Richter) und sporadisch von K. Goldmark in Komposition, Tonsatz und Instrumentation unterrichtet wurde. Entgegen einer verbreiteten Annahme war S. jedoch nicht offiziell am Konservatorium der GdM inskribiert, da das Semester schon begonnen hatte. S. besuchte die wichtigsten Institutionen des Wiener Musiklebens: die Hofoper, wo er wahrscheinlich auch die Opern Goldmarks (v. a. Die Königin von Saba) kennenlernte und am 20.3.1891 Pietro Mascagnis Cavalleria rusticana erlebte, weiters die Konzerte der Wiener Philharmoniker (bei denen er sich als geübter Geiger erfolglos um eine Orchesterstelle [als Vertretung] bewarb), ein Konzert mit Joh. Strauß oder das Beethoven-Haus in Heiligenstadt (heute Wien XIX). Neben seiner ambivalenten Haltung zu Rich. Wagner (dessen Tristan und Isolde er in der Hofoper hörte) war er von den zeitgenössischen Komponisten zu dieser Zeit am meisten von A. Bruckner beeindruckt und (auch später noch) beeinflusst; dessen 3. Sinfonie (in der 3. Fassung) hörte er am 21.12.1890 im Musikverein. Hingegen kam es zu keiner näheren Beziehung zu J. Brahms (bei dem er ursprünglich Unterricht nehmen wollte); über dessen Streichquintett F-Dur op. 88 äußerte er sich in einem Brief an seine Verlobte Aino Järnefelt (27.1.1890) abfällig. Eine gewisse Verbindung bestand zu P. Lucca und ihrem Kreis. Wichtig war die Begegnung mit H. Richter, der S.’ Werke später in England dirigierte. Der Wiener Aufenthalt wurde zuletzt durch eine Krankheit und Operation getrübt, am 8.6.1891 erfolgte die Abreise. Insgesamt sollte die Wiener Zeit für das weitere Schaffen prägend wirken: S. begann ein gründliches Studium, definierte seine finnische Identität neu, wandte sich erstmals dem Orchester zu (in der Ouverture E-Dur und in der originellen Scène de ballet fis-Moll), experimentierte mit modalen Skalen und plante die Kullervo-Symphonie (UA: 28.4.1892).

S. erhielt schließlich eine Stelle als Musikdirektor in Helsinki, heiratete 1892 und konnte sich ab 1898 dank einer staatlichen Pension ganz seinem Schaffen widmen. Ab etwa 1905 beschäftigte sich S. eingehend mit Werken A. Schönbergs, 1912 mit dessen Harmonielehre. Als sich G. Mahler 1907 in Helsinki aufhielt (und in einem Brief an Al. Mahler vom 30.10.1907 Werke wie Valse triste als Kitsch verurteilte), kam es zu längeren Gesprächen, von denen eine Diskussion über ästhetische Fragen (Musikästhetik der Symphonie (Kosmos vs. innere Einheit) aufgrund einer brieflichen Mitteilung S.’ sehr bekannt wurde. (In der Rezeption wurde Mahler immer wieder gegen S. ausgespielt, besonders von Th. W. Adorno oder E. Krenek, während etwa B. Walter beide schätzte.) An einer Professur für Komposition an der Wiener Akademie für Musik und darstellende Kunst (Nachfolge von R. Fuchs), für die S. 1912 vorgeschlagen wurde, hatte er kein Interesse (die Stelle erhielt F. Schreker). Im selben Jahr lehnten die Wiener Philharmoniker eine geplante Aufführung der schwierigen 4. Symphonie ab.

Am 28.3.1905 hatte die Sinfonische Dichtung Der Schwan von Tuonela ihre Wiener EA unter F. Löwe mit dem Wiener Konzert-Verein (Wiener Symphoniker). Die 1. Symphonie wurde am 19.11.1907 von denselben Interpreten aufgeführt. Erwähnenswert sind ferner die Aufführungen von En Saga durch die Wiener Philharmoniker unter A. Toscanini (30.11./1.12.1935) und W. Furtwängler (14./15.11.1942); Letzterer dirigierte das Werk auch während einer Tournee im Oktober 1950 (das Konzert in Helsinki hörte S. und überreichte dem Orchester ein Foto mit Widmung). Unter den prominenten österreichischen Dirigenten setzte sich v. a. H. v. Karajan für das Werk ein; seine frühen Aufnahmen der Symphonien Nr. 4 und 5 (Philharmonia Orchestra of London, EMI) wurden von S. selbst lobend hervorgehoben (Brief vom 13.10.1955 an R. Gamsjäger).


Gedenkstätten
Gedenktafel am Wohnhaus Waaggasse 1/Ecke Wiedner Hauptstraße 38 (Wien IV) [ab 1951 fälschlich Wiedner Hauptstraße 36, seit 2004 an der tatsächlichen Adresse Waaggasse 1, s. Abb.]; S.straße (Wien X); Denkmal in Helsinki; versch. Preise etc.
Ehrungen
Dr. h.c. der Yale University, New Haven, Connecticut/USA 1914 u. der Univ. Heidelberg/D 1936; Prof. 1916.
Werke
7 Symphonien, Kullervo-Symphonie, Sinfonische Dichtungen (Finlandia, Tapiola), Violinkonzert d-Moll; Bühnenmusiken (daraus Valse triste); Kammermusik (Streichquartett Voces intimae); Chorwerke, Lieder Drömmen [Der Traum] op. 13/5).
Literatur
H. Krones (Hg.), Jean Sibelius und Wien 2003; T. Mäkelä, „Poesie in der Luft“ 2007; P. Revers in G. Dawn Goss (Hg.), The Sibelius Companion 1996; L. Brauneiss in E. Maier (Hg.), Bruckner-Tagung Wien 1999. Bericht 2000; H.-L. de La Grange, Gustav Mahler 3 (2000), 752ff.; MGG 15 (2006); NGroveD 23 (2001); T. Mäkelä, Jean Sibelius und seine Zeit 2013; www.sibelius-gesellschaft.de (2/2014).

Autor*innen
Alexander Rausch
Letzte inhaltliche Änderung
2.4.2014
Empfohlene Zitierweise
Alexander Rausch, Art. „Sibelius, Jean‟, in: Oesterreichisches Musiklexikon online, begr. von Rudolf Flotzinger, hg. von Barbara Boisits (letzte inhaltliche Änderung: 2.4.2014, abgerufen am ), https://dx.doi.org/10.1553/0x00309b03
Dieser Text wird unter der Lizenz CC BY-NC-SA 3.0 AT zur Verfügung gestellt. Das Bild-, Film- und Tonmaterial unterliegt abweichenden Bestimmungen; Angaben zu den Urheberrechten finden sich direkt bei den jeweiligen Medien.

MEDIEN
Jean Sibelius mit seiner Frau bei einem Konzert, um 1938© Bildarchiv Austria, ÖNB
Gedenktafel Wohnhaus Waaggasse 1 (Wien IV)© Monika Kornberger
© Monika Kornberger

DOI
10.1553/0x00309b03
GND
Sibelius, Jean: 118642405
OBV
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