Ein auf derselben Tonstufe (gedanklich) stattfindender Wechsel von einer Silbe zur nächsten (z. B. von Gsol zu Gre), die sog. Mutation, ist aus zweierlei Gründen nötig: wenn der Ambitus der Melodie den Rahmen des Hexachords übersteigt oder wenn das „Vorzeichen“ (bfa statt bmi) sich ändert. Die beliebige, auf alle Stufen ausgedehnte Mutation wird seit dem Spätmittelalter praktiziert und resultiert in den als coniunctae beschriebenen Alterationen (cis, es, fis, as usw.); verwandt damit ist die musica ficta. Ende des 16. Jh.s kam für die 7. Stufe die Silbe si (u. ä.) hinzu, womit das System gesprengt wurde.
Im 14. Jh. wurde die S. von Engelbert v. Admont als einem der ersten Theoretiker überhaupt behandelt. In mehreren Musiktraktaten des 15. Jh.s aus dem Stift Mondsee (heute in A-Wn) finden sich Bemerkungen über S. und Mutation. D. Hitzlers Erfindung der Bebisation (1623), bei der Hochalteration mit dem Vokal „i“ (im Gegensatz zum „e“) angezeigt wird (wobei be = b und bi = h), konnte sich nicht allgemein durchsetzen, wenngleich ihm einige (Nikolaus Gengenbach, Otto Gibelius) gefolgt sind. Eine spezifisch österreichische Tradition der selbstverständlichen Einbindung der S. in die allgemeine Musiklehre lässt sich in Texten von J. B. Samber (1704) oder J. J. Fux (1725) erkennen. In der Kontroverse mit Johann Mattheson führte Fux Argumente ins Treffen, die im Prinzip noch in der heutigen Gesangspädagogik und Gehörbildung als Solfège bzw. Solfeggio berücksichtigt werden.
MGG 8 (1998); NGroveD 23 (2001); Riemann 1967; RISM B III6 (2003); O. Wessely in Jb. der Stadt Linz 1951 (1952).