Franz Anton Graf von: * 9.3.1662 Lissa/Böhmen (Lysá nad Labem/CZ), † 30.3.1738 Lissa. Staatsmann und Kunstmäzen. Studierte Jus in Prag, wo er sich nebenbei v. a. den „schönen Künsten“ widmete. Ab seinem 17. Lebensjahr unternahm er ausgedehnte Reisen durch Europa, in Paris ließ er zwei seiner Bediensteten, Wenzel Benda und Peter Ralik (auch: Wenzel Swida und Peter Röllig), das französische Waldhorn erlernen, die die ersten böhmischen Waldhornisten gewesen sein sollen. 1690 kaiserlicher Kammerherr, 1691 Statthalter von Böhmen (bis ca. 1710) und 1692 wirklicher Geheimer Rat. In weiterer Folge trat er v. a. als Kunstförderer in Erscheinung, gründete in Lissa eine eigene Buchdruckerei und berief bedeutende Kupferstecher, Maler, Architekten und Bildhauer an seinen Hof. Zahlreiche Kirchen, Klöster und Stifte sowie Armen- und Invalidenhäuser verdankten ihm ihre Errichtung. Nachdem bereits ab 1698 Theaterspiele in dem von ihm errichteten Theater in Kukus bei Gradlitz (Kuks/CZ) stattgefunden hatten, wurde hier im Sommer 1724 – angeregt vom italienischen Impressario Antonio Maria Peruzzi – erstmals eine italienische Oper (Orlando furioso von Antonio Bioni) gespielt. Im Herbst 1724 engagierte Sp. die Operntruppe an sein neues Prager „Opera-Hauss“, wo unter der Leitung von A. Denzio bis 1735 Opernaufführungen stattfanden. Obwohl sich das Operntheater in Sp.s Palais befand (hervorgegangen aus einem 1701 eröffneten Haustheater), ist es als erstes ständiges, öffentlich zugängliches Theater Prags (nach venezianischem Vorbild) zu bezeichnen, das ohne direkte finanzielle Unterstützung des Grafen auskam. Sp.s vermutete persönliche Verbindung mit J. S. Bach, der eine Arie von Sp.s Haushofmeister und Kapellmeister Tobias Anton Seemann (nach einem alten französischen Jagdlied) in seiner Bauernkantate BWV 212 verwendete, konnte bis dato (2005) nicht eindeutig belegt werden. Spekuliert wurde auch, Bach habe seine Messen BWV 233–235 im Auftrag Sp.s. geschrieben.
Andachtsbücher, Gebetsbücher, Sittenlehren etc. [Verzeichnis bei Wurzbach]; (Hg.) Volksliedslg.en (Hexenlieder 1728).
Sein Großneffe Johann Wenzel Graf von: * 26.1.1724 Prag, † 25.2.1804 [nicht 1805] Prag. Staatsmann, Kunstmäzen, Theaterleiter. Studierte Jus an der Univ. Leyden/NL und wurde 1745 böhmischer Appellationsrat. 1759 Appellationsvizepräsident und wirklicher Geheimer Rat, 1775 Appellationspräsident in Lemberg (L’viv/UA) und 1789 in Prag. 1764–75 leitete er als Hofmusikgraf und General-Spektakel-Direktor die Theaterschauspiele (Burg- und Kärntnertortheater) am Wiener Hof (Nachfolger von G. Durazzo), als solcher konnte er jedoch 1768 nicht die UA von W. A. Mozarts Oper La finta semplice in Wien durchsetzen (gegen G. Afflissio). 1771–75 war er Protektor der Tonkünstler-Sozietät. 1803 wurde Sp., der selbst Violoncello spielte und Privatkonzerte veranstaltete, zum Protektor der Prager Musiker-Witwensozietät gewählt.
Großkreuz des St. Stephans-Ordens 1795.
Dessen Urenkel Rudolph Graf von: * 27.5.1839 (Ort?), † 11.5.1904 Prag. Komponist. War Herr des Gutes Katusic (Katusice/CZ) und diente in der K. k. Armee als Oberleutnant.
Oper Das Nixenmädchen (UA Prag 1877), Walzer, Polkas, Quadrillen, Lieder.
Dessen Bruder Ferdinand Graf von (Pseud. Ferdinand Morolf): * 21.2.1848 Krnško/Böhmen, † 21.7.1928 München/D. Schriftsteller, Librettist, Gesanglehrer. Leitete 1883–87 den Allgemeinen Richard-Wagner-Verein und stand mit C. Wagner, W. Kienzl, H. Levi, Engelbert Humperdinck, F. J. Mottl und R. Strauss in brieflichen Kontakt.
Lustspiele, Opernlibretti (Kunihild 1884 [M: Cyrill Kistler], Ingwelde 1894 u. Der Pfeifertag 1899 [M: M. v. Schillings], Die Abreise 1898 [M: E. d’Albert], Sawitri die Königstochter 1907 [M: Hermann Zumpe]). – Nachlass: Richard-Wagner-Stiftung Bayreuth/D.
NGroveD 24 (2001); MGG 12 (1965); D. E. Freeman, The Opera Theater of Count F. A. v. Sp. in Prague (1724–35) , Diss. Univ. of Illinois 1987; H. Benedikt, F. A. Graf v. Sp. (1662–1738), 1923; A. Kopp, F. A. Graf Sp. 1910; O. Teuber, Gesch. des Prager Theaters 1 (1883); P. Nettl in Mf 6 (1953); Wurzbach 36 (1878) [Spork]; Dlabacž 1815; Mendel-R. 9 (1878) [Spörken]; GerberATL 2 (1792) [Spörken] u. NTL 4 (1813/14); EitnerQ 9 (1903); Hadamowsky 1988; Zechmeister 1971; Michtner 1970; B. A. Brown, Gluck and the French Theatre in Vienna 1991; D. Link, The National Court Theatre in Mozart’s Vienna 1998; E. Schenk, Mozart 21975; J. F. Schönfeld, Jb. der Tonkunst von Wien u. Prag 1796; C. F. Pohl, Denkschrift aus Anlass des hundertjährigen Bestehens der Tonkünstler-Societät 1871; Giebisch/Gugitz 1964; G. Lüdtke (Hg.), Nekrolog zu Kürschners Literatur-Kalender 1901–1935, 1936, 694; Stieger II/3 (1978) u. III/3 (1981); MGÖ 2 (1995); eigene Recherchen.