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St. Michael Eppan (deutsch für italienisch S. Michele Appiano)
Hauptort der Großgemeinde Eppan an der Weinstraße. Zur Ortschaft gehören sechs Kirchen: Mariä Heimsuchung, seit 1810 aufgrund beengter Verhältnisse in der älteren Michaelskirche Stätte für die Gemeindegottesdienste, bis 1921 Expositur von St. Pauls, seither Pfarrkirche, bis 1971 auch Klosterkirche des Kapuzinerordens; die Kirche zum hl. Erzengel Michael, an der Stelle eines frühmittelalterlichen Vorgängerbaus; die Kirche zum hl. Josef, errichtet 1883–86 als Klosterkirche für Dominikaner, die hier ab 1881 bis gegen Ende des 20. Jh.s eine Niederlassung hatten; die spätgotische Kirche St. Anna, seit 1842 Klosterkirche der Tertiarschwestern; die Maria-Rast-Kirche aus dem Jahr 1875; die Heilig-Kreuz-Kirche auf dem Gleif-Hügel westlich des Dorfzentrums.

Anlässlich der Generalversammlung des Südtiroler Cäcilienvereins 1898 in St. M. brachte P. Ceslaus OP in der Dominikanerkirche cäcilianisches Repertoire zur Aufführung. Laut einem Bericht in der Zeitschrift Musica sacra 1898 habe hier der Chor „unter schwierigsten Verhältnissen anfangen müssen“ (Zitat nach Simmerle, 247). 1886 hatten die Gebrüder Rieger (Jägerndorf) in der Dominikanerkirche eine pneumatische Kegelladenorgel errichtet (op. 1413, II/15). Sie wurde 1984 von Paolo Ciresa (Tesero/I) und zuletzt 2007 von Hansjörg Grädel (Schweiz) restauriert. Johann Pirchner (Reinisch) baute 1974 für die Pfarrkirche Mariä Heimsuchung eine mechanische Schleifladenorgel (II/13, Standort im Presbyterium); zuvor war hier nur ein Harmonium verfügbar gewesen. Derzeit (2017) leitet der Kapellmeister und Liedbegleiter Othmar Trenner den Kirchenchor von St. M. Die 2008 gegründete Singgemeinschaft pianoforte hat ihren Sitz in St. M. und wirkt im Dienst sakraler wie profaner Musik.

Im Turm der Kirche zum hl. Erzengel Michael, der aus den Jahren um 1520 stammt, hängt heute noch eine 1573 von Hans Christoph Löffler in Büchsenhausen/Innsbruck gegossene Glocke. Für die „Gemeinde Eppan“, also vermutlich St. M. E., lieferte 1677 der Glockengießer Paolo Poli (Trient) die damals dort größte Glocke (Lunelli 1994, 150). In einem Firmenkatalog der Glockengießerei Chiappani in Trient von 1889 sind unter Nr. 701ff drei Glocken für St. M. E. verzeichnet (Faksimile bei Lunelli 1994, 61).

Auf der Empore der Kapelle Maria Schnee von Schloss Gandegg steht eine mechanische Schleifladenorgel (I/12), mutmaßlich von Johann Caspar Humpel erbaut und 1698 geweiht; im 20. Jh. wurde sie teilweise substanziell abgeändert. Schon 1599 hatte Hans Schwarzenbach († 1606) aus Füssen/D für die Schlosskapelle ein Claviorganum geliefert. Laut Zani (1983, 10) soll diese Schwarzenbach-„Orgel“ aus 1682 in die Kirche zum hl. Erzengel Michael überstellt worden sein.

Im bereits um 1210/20 belegten Ansitz Reinsperg befindet sich ein weiteres bemerkenswertes Relikt für die einstige Musikpflege in den Adelshäusern der Gegend. 1682 schloss Christoph Grustner von Grustdorff zu Reinsberg und Paschbach, „tirolischer Landsmann, der römisch kaiserlich königlichen Majestät Leopoldi I. Rat“ (Reichling 1982, 64), der 1676/77 die Heiligkreuzkapelle zu seinem Ansitz Reinsperg hatte errichten lassen, mit dem Orgelmacher M. Junkhans (Bozen) einen Vertrag, dass dieser ihm ein Orgelpositiv erbauen solle (I/4). Zwei bemalte Flügeltüren zeigen außen Porträts von König David mit der Harfe und von Cäcilia an der Orgel. Die optische Ausstattung des Instruments lässt auf eine große Vorliebe seines Auftraggebers für Musik schließen. 2014 erfolgte eine Restaurierung der Orgel durch Oswald Kaufmann (Deutschnofen [Nova Ponente/I]). In einem Musikalieninventar des einstigen Schlossherrn Franz Ferdinand Graf Khuen v. Belasi († 1713) sind eine umfangreiche Notensammlung, 31 Streichinstrumente sowie fünf Posaunen verzeichnet (Zani 1983, 9), was eine stattliche Musikpflege indiziert; junge Gräfinnen der auf Gandegg residierenden Familie ließen sich damals als Sängerinnen hören.

Blasmusikanten sind in St. M. seit der Mitte des 18. Jh.s belegt. In der 2. H. des 19. Jh.s existierte eine Musikgesellschaft. 1898 konstituierte sich die Feuerwehr-Kapelle, die sich später Vereinskapelle nannte und seit 1950 Bürgerkapelle St. M. E. heißt. 1988–99 war der Komponist und Autor Gottfried Veit (* 1943 Bozen) ihr Kapellmeister. Vor 1898 spielten die Musikanten aus St. M. bei der Musikkapelle in St. Pauls Eppan Die Freischießen der Schützen von St. M. wurden seit 1720 von einem Trommler und Pfeifer begleitet. 1764 zogen die Schützen von St. Pauls zum Schießstand von St. M. und trafen hier mit einer „türkischen Feldmusik“ von elf Mann ein (Zani 1983, 13).

2002 übernahm B. Fassbaender die künstlerische Leitung des Musiksommers Eppan. Meisterkurse mit einem Schwerpunkt für Sänger ziehen jährlich Studenten und Publikum an. Konzerte finden u. a. im Lanserhaus, einem revitalisierten Ansitz im Eigentum der Gemeinde Eppan in St. M. und im Kultursaal St. M. statt. 2008 wurde der Veranstaltungszyklus umbenannt in Eppaner Liedsommer.

Im ehemaligen Palazzo Ferrari, den 1881 Dominikaner aus Graz erworben hatten und in der Folge als Konventgebäude nutzten, befindet sich nun die MSch. Überetsch (Musikschule Eppan).

Früher wurden die Weinberge um St. M. von Ende Juli bis nach der Weinlese von einem Saltner bewacht, der auf einem Tierhorn Signale blies. In „Eppan“ (St. M.?) wurde 1748 der Geiger und Komponist Sebastian Hölzl geboren († 1823 Trient).


Literatur
C. Lunelli, Dizionario dei Musicisti nel Trentino 1992; A. Reichling, Orgellandschaft Südtirol 1982; K. F. Zani, Fs. 150 Jahre Musikkapelle Girlan 1983; St. M. in alten Bildern 1984; C. Lunelli, Dizionario dei Costruttori di strumenti musicali nel Trentino 1994; H. Simmerle, Kirchenchöre Südtirols 1998; U. Stillhard/H. Torggler, Südtiroler Orgellandschaft von Reschen bis Innichen 2011; Fs. 100 Jahre Bürgerkapelle St. M.-E. 1998 (auch online: http://bk-eppan.it/festschrift); Tagesztg.en und Periodika (Dolomiten, Tiroler Tageszeitung); https://de.wikipedia.org/wiki/St._Michael_(Eppan) (2/2017); www.pfarrei-stmichael.it/de/kirchen.html (2/2017); http://eppan.travel (2/2017); www.pauls-sakral.eu (2/2017); http://orgeln.musikland-tirol.at/ob/Schwarzenbach-Hans.html (2/2017); www.bk-eppan.it (2/2017); www.vks.it (2/2017); www.facebook.com/pg/Singgemeinschaft-pianoforte-142090395825686/about/ (2/2017); https://de.wikipedia.org (2/2017) [fälschlicherweise Reinsberg]; www.eppanerliedsommer.com (2/2017); Mitt. von P. U. Stillhard OSB, Bozen.

Autor*innen
Hildegard Herrmann-Schneider
Letzte inhaltliche Änderung
11.8.2017
Empfohlene Zitierweise
Hildegard Herrmann-Schneider, Art. „St. Michael Eppan (deutsch für italienisch S. Michele Appiano)“, in: Oesterreichisches Musiklexikon online, begr. von Rudolf Flotzinger, hg. von Barbara Boisits (letzte inhaltliche Änderung: 11.8.2017, abgerufen am ), https://dx.doi.org/10.1553/0x0036afb2
Dieser Text wird unter der Lizenz CC BY-NC-SA 3.0 AT zur Verfügung gestellt. Das Bild-, Film- und Tonmaterial unterliegt abweichenden Bestimmungen; Angaben zu den Urheberrechten finden sich direkt bei den jeweiligen Medien.


DOI
10.1553/0x0036afb2
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