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Staatsoper, Wiener
Benennung des Gebäudes und auch Ensembles des ehemaligen, seit 1869 bespielten „K. k. Hof-Operntheaters“ (Hofoper), Wien I, Opernring 2. Nach dem Ersten Weltkrieg und dem Ende der einen Hof führenden Monarchie – in den Kriegswirren nur einige Tage im Oktober und November 1918 geschlossen – wurde es am 15.11.1918 zunächst noch in „Hof-Operntheater“, am 3.12.1918 in „Operntheater“, am 21.5.1920 in St., am 23.7.1921 wieder in „Operntheater“ (in Schriftstücken, nicht auf Programmzetteln, oft noch St.), am 27.9.1938 in St., spätestens 1999 auch offiziell in „Wiener St.“ umbenannt (dieser Name wurde allerdings in fast allen Publikationen über das Opernhaus seit der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg verwendet – nicht nur zur Unterscheidung von anderen Staatsopern –, wie u. a. auch „Haus/Oper am Ring“). Der letzte Intendant (Juli bis November 1918) der K. k. Hoftheater, Leopold von Andrian-Werburg (1875–1951), Enkel G. Meyerbeers, hatte den letzten Operndirektor der Monarchie, H. Gregor, entlassen und R. Strauss sowie F. Schalk zu einer gemeinsam zu führenden Direktion verpflichten können. Schalk trat sein Amt mit 15.11.1918 an, Strauss mit 16.8.1919, de facto erst im Dezember (am 10.10.1919 war im Operntheater [sic] seine Frau ohne Schatten uraufgeführt worden).

Ein von der Schalk-Ära bis in die 1970er Jahre besonders für W. A. Mozart-Opern (aber auch deutsches Singspiel und opera buffa sowie Ballett) immer wieder verwendeter Spiel- und auch Probenort der St. waren die Redoutensäle (die Bühne im Großen Redoutensaal, von A. Roller gebaut, wurde am 27.12.1921 eröffnet); 1969 fand dort die umfangreiche Jubiläumsausstellung 100 Jahre Wiener Oper am Ring statt.

Auflistung der seit 1918 wirkenden Direktionen (mit Monatsangaben, wenn nicht innerhalb der üblichen Saisonzeit – September bis August): 11/1918–29 F. Schalk, 8/1919–10/1924 gemeinsam mit R. Strauss; 1929–12/1934 C. Krauss; 1/1935/36 F. Weingartner; 1936–40 E. Kerber; 1940–4/1941 H. K. Strohm, 2–4/1941 Vertretung Walter Thomas; 4/1941–2/1943 E. A. Schneider, 9/1941–12/1942 mit Burgtheaterdirektor (und Generalintendant der Wiener Staatstheater 1943–4/1946) L. Müthel; 3/1943–3/1945 K. Böhm; 5–6/1945 A. Jerger (St. in der Volksoper); 6/1945–1955 H. Juch (St. in der Volksoper, verschiedene Bezeichnungen) und 6/1945–1954 F. Salmhofer (St. im Theater an der Wien); 1954–56 K. Böhm; 1956–64 H. v. Karajan, 4/1962–6/1963 mit Walter Erich Schäfer, 6/1963–64 mit E. Hilbert; 1964–1/1968 E. Hilbert; 1/1968–72 H. Reif-Gintl; 1972–76 R. Gamsjäger; 1976–82 E. Seefehlner; 1982–84 L. Maazel; 1984–86 E. Seefehlner; 1986–91 C. H. Drese; 1991–3/1992 E. Waechter; seit 4/1992 I. Holender (Vertrag bis 2010). Zusätzliche musikalische bzw. künstlerische Leiter: u. a. C. Abbado 1986–91, S. Ozawa, seit der Saison 2002/03 Musikdirektor der Wiener St.

Verwaltet wurde das Haus wie die anderen Hof- bzw. dann Staatstheater nach verschiedenen Zwischenstufen – von der K. u. k. Generalintendanz der K. k. Hoftheater über die Verwaltung der hofärarischen Theater (Burg- und Operntheater), die Ende 1918 direkt der Hofärarverwaltung als Theaterdepartement unterstellt wurde – ab 1920 von der Staatstheaterverwaltung. 1921 wurde diese in Bundestheaterverwaltung, 1926 in Generaldirektion (1931–33 Generalintendanz) der österreichischen Bundestheater umge-, 1933 in Bundestheaterverwaltung rückverwandelt, 1938–46 der Verwaltungseinheit Staatstheater und Bühnenakademie in Wien zugeordnet und 1946 wieder als Bundestheaterverwaltung installiert. 1971 entstand daraus der Österreichische Bundestheaterverband, der 1999 von der Bundestheater-Holding GmbH abgelöst wurde, die in Form von GmbH.s Wiener St., Volksoper Wien, Burgtheater und die Theaterservice GmbH managt. Die Finanzierung des Betriebes wird auch von Sponsoren und Donatoren ermöglicht, die z. T. die Kosten für eine Neuinszenierung übernehmen.

Nach der Zerstörung des Opernhauses in den letzten Tagen des Zweiten Weltkriegs (12.3.1945) – Bühnenhaus und Zuschauerraum wurden vernichtet, nur die Eingangshalle, das Foyer mit den Fresken von Moritz von Schwind (Schwind-Foyer) und ein kleiner Teil der ehemaligen kaiserlichen Pausenräume (Vorderfront des Hauses) blieben erhalten – spielte die St. auf Befehl der russischen Besatzung schon ab 1.5.1945 in der von Bomben verschonten Volksoper (zunächst als „Opernhaus der Stadt Wien. Wiener St. -Ensemble“, 1.6.–10.7.1945 „Volksoper. Wiener St.-Ensemble“, 11.7.1945–1.9.1946 „St. im Volksoperngebäude“, 2.9.1946–15.7.1955 „St. in der Volksoper“ – zunehmend auch Operetten spielend), 6.10.1945–2.10.1955 zudem als „St. im Theater an der Wien“ (unter verschiedenen Direktoren).

Der Plan eines Wiederaufbaus des Opernhauses musste sich anfangs auch gegen einen völligen Neubau an anderer Stelle durchsetzen; 1946 entschied Bundeskanzler Leopold Figl, die Ermöglichung eines bespielbaren Hauses für 1949 zu betreiben. Der Gewinner des Architektenwettbewerbs Erich Boltenstern schlug eine Wiederherstellung mit gleichzeitiger Modernisierung der Formensprache im Stil der 1950er Jahre vor, was neben einer zeitgemäßen Bühnentechnik durch Reduktion v. a. der Parterreplätze (bedingt durch strengere bau- und feuerpolizeiliche Vorschriften) und die nun säulenlose Ausgestaltung des ehemaligen 3. und 4. Ranges (jetzt Balkon und Galerie) zu deutlich sichtbaren Veränderungen führte. Das wesentlich schlichtere Auditorium fasst statt 2.881 derzeit (2005) 2.284 Plätze (davon 567 Stehplätze). Fertiggestellt werden konnte das Vorhaben aus finanziellen Gründen und auch mangels Materials trotz zahlreicher Spenden erst 1955. Am 5.11., kurz nach Unterzeichnung des Staatsvertrags, begann eine Eröffnungsserie von sieben Neuinszenierungen (an sechs von ihnen wurde im Konzert zur 50. Wiederkehr der Feierlichkeiten am 5.11.2005 auszugsweise und mit international renommierten Künstlern erinnert). In den Sommermonaten 1991–93 sowie von Juli bis Mitte Dezember 1994 wurde die St. Erneuerungsarbeiten unterzogen, dazu gehörte die Generalsanierung der Bühnenmaschinerie. Das Haus verfügt über mehrere Probebühnen bzw. -säle für Oper und Ballett, Chor und Orchester (z. B. „C. Kleiber-Probebühne“, seit 1995 auch die Probebühne „E. Waechter“ sowie den sog. Orgelsaal für die mit 2.500 Pfeifen weltweit größte Pfeifenorgel eines Opernhauses, deren Klang bei Bedarf in den Zuschauerraum übertragen wird). Seit 1998 wird der von Rudolf Eisenmenger für das wiederaufgebaute Haus gestaltete eiserne Vorhang mit jährlich wechselnden Großbildern verhängt, seit Saisonbeginn 2001 bietet die St. mit bei den jeweiligen Plätzen angebrachten Monitoren eine „Untertitelungsanlage“ (Texte z. Zt. in deutsch und englisch), deren Einbau von Alberto Vilar finanziert wurde.

Ein wichtiger Bestandteil auch dieses Opernhauses ist neben einem wandlungsfähigen – hier der außerhalb des Hauses als Konzertvereinigung Wiener St.-Chor auftretende – Chor (Chordirektor seit 1997 Ernst Dunshirn) ein verlässliches und belastbares Orchester. Die St. hat dafür unter dem Namen Orchester der Wiener St. nach wie vor die Wiener Philharmoniker (und solche, die es in der Regel bald werden, bzw. von den Philharmonikern als Substituten eingesetzte Instrumentalisten) unter Vertrag. Sie spielen heute in einem Orchesterraum von 123 m2 Größe.

Für das Wiener Staatsopernballett ist eine eigene Ballettschule eingerichtet; ihre Wurzeln gehen auf die 1771 von J. G. Noverre gegründete Theatral-Tanzschule zurück, der im 19. Jh. im Kärntnertortheater eine Schule folgte, die 1870 als Ballettschule des K. k. Hofoperntheaters institutionalisiert wurde. 1980 bezog sie eigene Räume im Hanuschhof in der Goethegasse (Wien I). Seit der Vereinigung der Compagnien von St. und Volksoper 2005 ist sie für beide Häuser verantwortlich. Seit 1.9.2005 ist Gyula Harangozó Direktor des Balletts der Wiener St. und Volksoper sowie Künstlerischer Leiter der Ballettschule der Wiener St. In ihrer Opernschule für Kinder bietet die St. eine Gesangsausbildung für Kinder (ab 8–9 Jahren) an, die neben dem regulären Schulbetrieb absolviert wird und zu Auftritten in Solo- und Chorszenen führen kann. – Seit September 1999 beherbergt die große Terrasse der St. (zur Ring-Seite) ein Theater auf dem Theater: das mobilkom austria Zelt, in dem Werke für Kinder gespielt werden.

Die Qualität der Aufführungen wurde in der Zwischenkriegszeit und auch während des Nationalsozialismus, als viele große Künstler das Haus und das Land verlassen bzw. ihr Leben lassen mussten, in musikalischer und szenischer Hinsicht auf Weltniveau gehalten. Nach dem Zweiten Weltkrieg stand mangels Reisemöglichkeiten wieder ein ausgezeichnetes Ensemble mit großen Sängern dieser Zeit fast ständig zur Verfügung, was zur Heranbildung v. a. eines aufgrund einer speziellen Gesangs- und Spielkultur weithin geschätzten Mozart-Stils führte, dessen Begründer und Mentor J. Krips war. 1947 fand bereits die erste Auslandstournee (nach London) statt. Das bis in die Zeit der Rückübersiedlung in das St.-Gebäude weitgehend zusammengehaltene Ensemble entwickelte sich – die sich immer stärker anbietenden Gastspielmöglichkeiten in aller Welt nutzend – zunehmend in verschiedene Richtungen, dafür wurden immer mehr international erfolgreiche Sänger für einzelne Produktionen bzw. Gastauftritte verpflichtet. Schon früh wurden Opern manchmal, mit Beginn der Direktionszeit H. v. Karajans vorwiegend (aus künstlerischen, aber auch besetzungstechnischen Gründen) in der Originalsprache gesungen (Ausnahme blieb meist die tschechische Sprache; ein Versuch K. Böhms Ende der 1960er Jahre, Mozarts Così fan tutte wieder auf deutsch zu produzieren, blieb nur ein kurzes Intermezzo). Die Spielplangestaltung des Hauses hielt sich noch viele Jahre an die des überkommenen Repertoiretheaters, d. h., eine sehr große Anzahl von Werken (Opern, Ballette, nur vereinzelt Operetten) stand praktisch ständig zur Verfügung. Erst mit der Direktion von L. Maazel wurde das auch an anderen Häusern durchgeführte Semi-Stagione-Prinzip endgültig eingeführt, das (bis auf wenige Ausnahmen) im Gegensatz zum besonders im italienischen Opernbetrieb längst angebotenen vollen Stagionebetrieb bis heute ca. zwei Aufführungsserien (jeweils ca. 4–5 Abende) eines Werkes innerhalb einer Saison anbietet. Dabei stehen allerdings nach wie vor ca. 60 Produktionen (davon ca. sechs Neuinszenierungen, dazu Neueinstudierungen bzw. Wiederaufnahmen) am Programm.

Das Haus vertrat unter den verschiedenen Direktoren, ihrer Herkunft aus künstlerischem bzw. Verwaltungsbereich entsprechend, aber auch der jeweiligen politischen und v. a. wirtschaftlichen Situation Tribut zollend (1931 wurde sogar an eine Schließung gedacht), unterschiedliche Schwerpunkte. Die Zahl der UA.en bzw. EA.en zeitgenössischer Werke ging im Laufe der Zeit stark zurück.

Die enge Zusammenarbeit mit anderen Opernhäusern wurde ebenfalls von Direktor H. v. Karajan initiiert, der als gleichzeitiger „Ständiger Gastdirigent“ der Mailänder Scala Sänger und auch ganze Produktionen nach Wien transferierte. Heute beteiligen sich z. T. mehrere Häuser an einer Produktion, die dann untereinander ausgetauscht wird, wobei die ausübenden Künstler allerdings auch wechseln können.

Anders als die Operette (Ausnahmen Die Fledermaus, Der Zigeunerbaron, beide von Joh. Strauß Sohn, aber auch die UA 1934 von F. Lehárs Giuditta) haben Ballettaufführungen eine langjährige Tradition im Opernhaus. Neben Aufführungen des eigenen Ballettensembles gab es zwischen den Weltkriegen nur vereinzelt Gastspiele fremder Truppen (1929 Ballett Ida Rubinstein aus Paris, 1941 Ballett der Römischen Oper), nach 1945 zahlreiche v. a. aus England, Frankreich, Deutschland, Russland, Jugoslawien und den USA. Für Sprechtheater wurde das Haus (im 19. Jh. fallweise vom Burgtheater – u. a. 1883/84 Shakespeare-Zyklus – bespielt) im 20. Jh. nur noch sehr selten verwendet (Arthur Schnitzlers Der grüne Kakadu 1929, Passionsspiele u. a. von Josef Neumair 1935).

Übernommen in das wiederaufgebaute Haus wurde die Tradition des (seit 1935 unter diesem Titel veranstalteten) Wiener Opernballs, der jeweils am letzten Donnerstag im Fasching in allen Räumen der St. stattfindet.

Der Verein der Freunde der Wiener St. wurde 1976 als Forum von Opern- und Ballettfreunden gegründet, vertritt deren Interessen gegenüber der St., bietet regelmäßig Künstlergespräche, Diskussionen, Konzerte, Reisen etc. an und unterstützt ideell und materiell Nachwuchs-, aber auch in Not geratene ältere Künstler. Der Verein umfasst derzeit über 3.000 Mitglieder, darunter auch zahlreiche Mäzene, Sponsoren und Förderer, gibt seit 1990 u. a. alljährlich das Jahrbuch Die Wiener St. (seit Saison 1989/90) heraus und ernennt Ehrenmitglieder.

Im November 2005 wurde in der Goethegasse 1 ein St.-Museum – eine vom Architekten Hans Hoffer konzipierte rondeauartige Ausstellungsfläche – eröffnet, das die Jahre seit der Wiedereröffnung 1955 beleuchtet. An Info-Terminals können Informationen (inklusive Bühnenbildfotos) zu allen Opernaufführungen der letzten 50 Jahre abgefragt werden. Die St. gibt während der Saison neben dem Jahresprogramm und dem aktuellen Spielplanfolder monatlich das Magazin pro:log mit Aufsätzen, Interviews, Mitteilungen und Programmübersichten heraus.


Literatur
[Kat.] 100 Jahre Wr. Oper 1969; W. Sinkovicz, Das Haus am Ring 1996; A. Seebohm (Hg.), Die Wr. Oper 1986; M. Prawy, Die Wr. Oper 1978; Freunde der Wr. St. (Hg.) Die Wr. St. Jb. 1976ff.; Czeike 5 (1997) u. 6 (2004); N. Radosevic, Die Opernschule f. Kinder an der St. Wien, Dipl.arb. Wien 2004; I. Rotter, Der Einfluß der NS-Kulturpolitik auf die Wr. St. 1938–45, Dipl.arb. Wien 2000; M. Kramer, Die Wr. St. Zerstörung u. Wiederaufbau In Arbeit 2005; F. Grasberger, Richard Strauss u. die Wr. Oper 1969; P. Stefan, Die Wr. Oper. Ihre Gesch. von den Anfängen bis in die neueste Zeit 1932; W. Beetz, Das Wr. Opernhaus 1869–1945, 1949; Hadamowsky 1975; MGÖ 3 (1995); www.wiener-staatsoper.at (12/2005); eigene Recherchen.

Autor*innen
Uwe Harten
Letzte inhaltliche Änderung
11.8.2021
Empfohlene Zitierweise
Uwe Harten, Art. „Staatsoper, Wiener‟, in: Oesterreichisches Musiklexikon online, begr. von Rudolf Flotzinger, hg. von Barbara Boisits (letzte inhaltliche Änderung: 11.8.2021, abgerufen am ), https://dx.doi.org/10.1553/0x0002206c
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