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Stehgeiger
Primgeiger einer Tanz- oder Unterhaltungsmusikkapelle, der diese von seinem Pult aus, stehend, mit der Geige in der Hand, leitet und oft auch der Komponist der aufgeführten Werke ist. Das Phänomen taucht zuerst im Wiener Biedermeier auf, wo die Größe der Tanzkapellen einen Dirigenten notwendig machte. Komponisten wie M. Pamer, J. Labitzky, Ph. Fahrbach sowie v. a. J. Lanner und die Mitglieder der Strauss-Dynastie leiteten ihre Musiker als Primgeiger. Joh. Vater und Sohn sowie E. Strauss hatten dabei als Hofballmusikdirektoren am Wiener Kaiserhof und durch internationale Konzerttätigkeit immense Vorbildwirkung. Unter der Führung eines St.s spielten viele Ensembles, die sich seit der 2. Hälfte des 19. Jh.s auf dem Sektor der Tanz- und Unterhaltungsmusik zu bewähren hatten, wie Kurmusik, Kaffeehausmusik, Salonmusik, Damenkapelle, Zigeunermusik. Selbst Stummfilme wurden noch von Ensembles mit St.n begleitet. Im niederösterreichischen Weinviertel hat die Tradition in Nachahmung von Joh. Strauss als Weinviertler Kirtagsmusik mit einer Reihe ländlicher Kleinmeister bis nach dem Zweiten Weltkrieg weitergelebt. Damenkapellen mit St.innen, wie es sie heute beispielsweise in Wien gibt, knüpfen an die große Zeit des Wiener Walzers an. Von W. Boskovsky wurde die Aufführungspraxis mit St. für das Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker 1955–79 wieder aufgenommen, wobei er nicht zuletzt durch diese Attitüde dem Orchester zu weltweiter Popularität verhalf. Daher wurde sie seither auch von anderen Dirigenten gelegentlich übernommen.
Literatur
NGroveD 24 (2001) [Strauss]; MGG 9 (1998) [Tanz]; O. Biba in [Kat.] 1000 Jahre Musik in Öst. 1996; E. M. Exl in W. Deutsch/R. Pietsch (Hg.), Dörfliche Tanzmusik im Westpannonischen Raum 1990; W. Salmen, Bilder zur Gesch. der Musik in Österreich 1979; R. Witzmann, Der Ländler in Wien 1976; MGÖ 3 (1995), 192.

Autor*innen
Gerlinde Haid
Letzte inhaltliche Änderung
15.5.2006
Empfohlene Zitierweise
Gerlinde Haid, Art. „Stehgeiger“, in: Oesterreichisches Musiklexikon online, begr. von Rudolf Flotzinger, hg. von Barbara Boisits (letzte inhaltliche Änderung: 15.5.2006, abgerufen am ), https://dx.doi.org/10.1553/0x0001e343
Dieser Text wird unter der Lizenz CC BY-NC-SA 3.0 AT zur Verfügung gestellt. Das Bild-, Film- und Tonmaterial unterliegt abweichenden Bestimmungen; Angaben zu den Urheberrechten finden sich direkt bei den jeweiligen Medien.


DOI
10.1553/0x0001e343
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