Während um die Mitte des 19. Jh.s die Harfenisten immer mehr aus dem Straßenbild Wiens verdrängt wurden, folgten ihnen die „Werkelmänner“ (Drehorgel, s. Abb.) als anonyme Volksunterhalter nach, v. a. nachdem ab 1840 verbesserte Konstruktionen auf Rädern neben die tragbaren Drehorgeln traten. Die Werkelmänner verstanden sich als Künstler und gehörten neben den Liedflugblattdrucken (Flugblatt, Flugblattlied) zu den wichtigsten Verbreitern volkstümlichen Liedgutes. 1838 gab es in Wien 800 Werkelmänner, um 1900 waren es noch 120, nach dem Ersten Weltkrieg sank die Zahl stark ab. Hingegen waren häufig „Hofmusikanten“ zu hören, die in den Höfen der Wohnsiedlungen ihren Gesang mit Harmonika oder Gitarre begleiteten. Im Allgemeinen wurde aber im Zeitalter der zunehmenden Motorisierung und der Veränderung des Straßenlebens die St. stark reduziert. Das Wiener Theatergesetz von 1930 gestattete auch keine Neuvergabe von Lizenzen mehr. So waren es in der Zeit der Wirtschaftskrise v. a. arbeitslose Musiker und auch dilettierende Amateure, die neben den rund 40 verbliebenen lizenzierten Drehorgelspielern mit unterschiedlichen Instrumenten in den Straßen zu hören waren. Die Popularität dieser Art von Unterhaltung zeigt sich in der Veranstaltung von Straßensänger-Wettbewerben, deren erste Gewinnerin L. Lauth sich als „Königin der Wiener Straßensängerinnen“ bezeichnen durfte.
Zur Zeit des Nationalsozialismus war das Musizieren auf der Straße generell verboten. Nach dem Zweiten Weltkrieg verringerte sich die Zahl der Straßenmusiker durch „natürlichen Abgang“ weiterhin. Zu den letzten in Wien als Originale bekannten Vertretern des Standes gehörten die „Werkler“ Franz Radosta und Karl Strnat sowie der blinde Multiinstrumentalist Pepi Rottensteiner und der Falsettsänger Emil Thun alias „Lercherl“. 1977 wurde es dem Instrumentenbauer K. Nagl als Erstem wieder ermöglicht, eine Lizenz als Drehorgelspieler zu erlangen. Heute (2005) ist der Böhmische Prater in Favoriten (Wien X) das Zentrum des Drehorgelspiels und Schauplatz von regelmäßig stattfindenden internationalen Treffen von Drehorgelspielern („Memusi“ = mechanische Musik). Ähnlich wie in Wien hat man sich die Verhältnisse früher wohl auch in anderen Städten Österreichs vorzustellen.
Das heutige Straßenmusizieren (v. a. in Fußgängerzonen) hat den lokalen Bezug verloren und trägt den Charakter von internationaler Folklore und Unterhaltungsmusik. Die Musikanten stammen vielfach aus dem Ausland, betrachten ihr Auftreten aber – entgegen oftmaliger Wahrnehmung durch die Bevölkerung als Bettelei – als simplen Broterwerb.
F. Rebiczek, Der Wr. Volks- u. Bänkelgesang in den Jahren 1800–1848 [o. J.]; J. Koller, Das Wr. Volkssängertum in alter u. neuer Zeit 1931; G. Gugitz, Lieder der Straße. Die Bänkelsänger im josephinischen Wien 1954; H. Pemmer in Wr. Geschichtsbll. 11 (1956); A. E. Frei, Die Wiener Straßensänger und -musikanten im 19. u. 20. Jh., Diss. Wien 1978; O. Krammer, Wiener Volkstypen. Von Buttenweibern, Zwiefel-Krowoten u. anderen Wr. Originalen 1983; Ch. González Mayoral, St. Parameter der Darbietung u. deren möglicher Zusammenhang mit dem Erfolg, dargestellt am Beispiel Graz, Dipl.arb. Graz 1999; G. Schaller-Pressler in E. Th. Fritz/H. Kretschmer (Hg.), Wien. Musikgesch. 1 (2005).