R. Strauss wiederum verwendete den schon 1830 von Carl Löwe für Mazeppa gebrauchten Begriff Tondichtung und stützte sich darin mehr auf musikalische Illustration als auf den Ausdruck der „poetischen Idee“, wobei er als Sujets nicht nur Kunstwerke (Macbeth 1886/90, Don Juan 1888) verwendete, sondern auch philosophische Ideen (Also sprach Zarathustra 1896) und speziell Autobiographisches (Ein Heldenleben 1898, Sinfonia domestica 1903).
Der Nationalmusik zugeschriebene Werke im österreichischen Kontext sind u. a.: A. Dvořák (Der Wassermann, Die Mittagshexe, Das goldene Spinnrad, Die Waldtaube, alle 1896), Z. Fibich (u. a. Zaboj, Slavoj und Ludek 1873, Toman und die Waldnymphe 1875), V. Novak (u. a. In der Tatra 1902, Toman und die Waldnymphe 1907), 1907), Josef Suk (u. a. Prag 1904, Ein Sommermärchen 1909, Legende von den toten Siegern 1919), St. Ludkewytsch (Symphonie-Kantate Kavkaz [Kaukasus], 1905–13), Béla Bartók (Kossuth 1903), E. Kálmán (Endre és Johanna 1905), B. Bersa (u. a. Hamlet 1897, Suncana polja [Sonnige Felder] 1919, Idila 1902, Capriccio-Scherzo 1902).
In den Jahrzehnten um 1900 entstand darüber hinaus in Österreich eine ganze Reihe von s.n D.en, u. a. H. Wolf (Penthesilea 1883), S. v. Hausegger (Dionysische Phantasie 1896), F. Weingartner (König Lear op. 20, 1897, Das Gefilde der Seligen op. 21, 1897), O. Kitzler (Der Fischer und die Seenixe), E. W. Degner (Der Zug des Todes, Römischer Triumphzug,Theater-Novelletten), J. Fucik (Vier symphonische Gedichte – Für Österreichs Ruhm und Ehre op. 59, 1898), A. Schönberg (Pelleas und Melisande 1903), J. J. Abert (Columbus), E. N. v. Reznicek (Schlemihl, ein Lebensbild 1911/12, Der Sieger 1913), J. Bittner (Vaterland 1915). Teilweise sind sie im Bereich von Gebrauchsmusik angesiedelt.
In der Auseinandersetzung um Inhalt und Form in der Symphonik des 19. Jh.s spielte die s. D. eine zentrale Rolle und wurde dabei –- je nach Standpunkt – als poetisch inspirierte freie Form oder als mangelhafte Formbildung verstanden. Mit dem Aufkommen der Moderne und der wachsenden Popularität der Idee von der absoluten Musik verlor die s. D. mit ihrer speziellen Verankerung in der romantischen Ästhetik (poetische Idee) mehr noch als die Programmmusik insgesamt an Aktualität und an Prestige – so wurde G. Mahlers 1. Symphonie 1889 als s. D. uraufgeführt (Tondichtung Der Titan), später wurden vom Komponisten aber die Programme seiner ersten vier Symphonien getilgt. Trotzdem gibt es auch für seine weiteren Symphonien Hinweise auf „innere Programme“. Im Laufe dieser Entwicklung verlor der Begriff s. D. an Schärfe, er wurde und wird letztlich auf programmatische Orchesterwerke unterschiedlichsten Gehalts und Stils angewandt. Ästhetisch traditionell (im Sinn der Nachromantik) ausgerichtete Komponisten verwenden die Gattungsbezeichnung bis heute (2005) oft aus Anlass von Gedenktagen bzw. wenn Patriotisches vertont wird: Felix von Weingartner (Frühling op. 80, 1930), F. X. Müller (Heimat 1936), R. Maux (Die Flucht der Heiligenfiguren op. 395, 1938), Kamillo Lendvai (Mauthausen), A. Melichar (Der Dom, Wiener Impressionen), Th. Berger (Rondino giocoso, Malinconia, Die Legende vom Prinzen Eugen, Rondo ostinato, Concerto manuale), B. Hartl (Rondo Dramatico, Der Wettlauf zwischen dem Hasen und dem Igel), E. Aichinger (Zum Sterben bin ich viel zu jung 1994).
Riemann 1967; NGroveD 24 (2001) [Symphonic poem]; MGG 9 (1998).