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Tamburizza (Tamburica)
Slawische Verkleinerungsform von Tambura; gehört zur Gruppe der Chordophone. Die T. ist eine Langhalslaute mit meist bauchigem, kleinem Resonanzkörper, einem langen Hals mit Bünden und einem fast immer doppelchörigen Bezug von 2–8 Stahlseiten. Sie wird mit den Fingern oder mit einem Plektron gezupft, manchmal auch gestrichen und existiert heute (2006) in verschiedenen Größen mit mehr oder weniger Saiten. Im 14. und 15. Jh. wurde das Instrument durch die Osmanen in Bosnien und Serbien verbreitet. Anfang des 18. Jh.s kam es durch Migrationsbewegungen in die Vojvodina, damals noch ausschließlich als Soloinstrument. Erst zu Anfang des 19. Jh.s bildeten sich in der Bačka die ersten Ensembles, d. h. erst ab diesem Zeitpunkt baute man das Instrument in verschiedenen Größen. Um die Mitte des 19. Jh.s, als das orchestrale T.-Spielen begründet wurde, erlebte die T. aufgrund der Etikettierung als „illyrisches“ wie kroatisches Nationalinstrument in Kroatien große Popularität (vgl. Schedl 2004, Bonifačić 1995). Die T.-Ensembles wurden zum nationalen Symbol der Kroaten und auch von jenen Kroaten übernommen, die außerhalb Kroatiens lebten.

Von den burgenländischen Kroaten wurde die T. nicht direkt aus Kroatien importiert, sondern über den Umweg von Wien. Das erste Ensemble (Burgenland) wurde 1923 in Baumgarten/Pajngrt gegründet. In Wien reicht die T.-Tradition jedoch weiter zurück. Der von Zuwanderern aus Böhmen und Mähren begründete T.-Verein Adria wurde 1911 gegründet und besteht bis heute (vgl. Rothwangl 2003).

Die Ausbreitung war auch bei den Slowenen Südkärntens zu Beginn des 19. Jh.s relativ stark. In der Zeit zwischen den Weltkriegen klang diese Modemusik etwas ab, z. T. auch deshalb, weil durch den Nationalitäten- und Kulturkampf, die Ausweisung der kärntner-slowenischen Intelligenz (Lehrer, Priester) nach der Volksabstimmung von 1920 und die Behinderung der slowenischen Kulturarbeit durch die politisch aufkommenden Nationalsozialisten (Verbot von Veranstaltungen, Polizeieinsätze, Prügelbanden, hohe Gebühren für Anmeldung und Bewilligung) erschwerte Bedingungen herrschten (vgl. Verdel 1992). Im Burgenland waren die Bedingungen bis zur Machtübernahme der Nationalsozialisten besser. Nach dem Zweiten Weltkrieg setzte bei den Burgenlandkroaten eine massive Ausbreitung des Instruments ein. Heute gilt das T.-Ensemble als ihr musikalisches Aushängeschild. In jeder kroatischen Ortschaft im Burgenland existiert mindestens eines, mit unterschiedlichen musikalischen Ausrichtungen; Wolfgang Kuzmits (1996) führt 27 an. Es gibt reine Instrumentalensembles, Instrumental- und Vokalensembles sowie Instrumental-, Vokal- und Tanzensembles. Die T. hat viel mit ethnischer Identität und Traditionspflege zu tun. Viele der Gruppen präsentieren in ihren Auftrittsprogrammen „kulturelles Erbe“, meist in gefälligen bunten Trachten. Die Choreographien orientieren sich oft an der Auftrittsästhetik der Folkloreensembles des ehemaligen Jugoslawien (Novak-Karall 2004), was z. T. durch die Zusammenarbeit mit dem kroatischen Ethnochoreologen Ivan Ivančan bedingt ist. Auch für die T.-Arrangements werden immer wieder kroatische Spezialisten herangezogen, die Instrumente werden ebenfalls aus Kroatien bezogen. Im Kampf einer Minderheit gegen die Assimilation und für die Erhaltung der eigenen Sprache und Kultur spielt die T. für die Burgenlandkroaten eine wichtige Rolle. So ist für Jugendliche in den Dörfern die wöchentliche T.-Probe oft die einzige Gelegenheit, kroatisch zu sprechen. Manchmal ist auch das nicht mehr gegeben, sondern die kroatische Sprache wird nur mehr gesungen und nicht mehr gesprochen (Hemetek 1993). Die soziale Funktion der T.-Ensembles als gemeinschaftsbildendes Element in der Dorfgemeinschaft ist ebenfalls nicht zu unterschätzen. Anhand des Phänomens T. im Burgenland lässt sich gut nachvollziehen, wie ein Instrument, das relativ spät importiert wurde, neben der Sprache zum wichtigsten Symbol ethnischer Identität einer Minderheit wird und sowohl die Funktion der Präsentation nach außen als auch des inneren Zusammenhalts erfüllt.


Literatur
R. Bonifačić in Collegium Antropologicum 19 (1995); M. E. Forry, The Mediation of „Tradition“ and „Culture“ in the Tamburica Music of Vojvodina (Yugoslavia), Diss. Los Angeles 1990; U. Hemetek in W. Holzer/R. Münz (Hg.), Trendwende? Sprache u. Ethnizität im Burgenland 1993; W. Kuzmits, Die Tamburica im Burgenland: Tradierung „authenischer Kultur“?, Dipl.arb. Linz 1996; L. Siniša, Tambura u Hrvata [Die Tamburizza bei den Kroaten] 1995; Beiträge v. G. Novak-Karall, Ch. Schedl u. R. Zölss in U. Hemetek/G. J. Winkler (Hg.), Musik der Kroaten im Burgenland 2004; K. Rothwangl, Das T.-Spiel der Slowenen in Wien unter besonderer Berücksichtigung des Ensembles Fermata, Dipl.arb. Wien 2003; R. Verdel, Die Entwicklung des T.-Wesens in Südkärnten, Dipl.arb. Graz 1992.

Autor*innen
Ursula Hemetek
Letzte inhaltliche Änderung
15.5.2006
Empfohlene Zitierweise
Ursula Hemetek, Art. „Tamburizza (Tamburica)“, in: Oesterreichisches Musiklexikon online, begr. von Rudolf Flotzinger, hg. von Barbara Boisits (letzte inhaltliche Änderung: 15.5.2006, abgerufen am ), https://dx.doi.org/10.1553/0x0001e430
Dieser Text wird unter der Lizenz CC BY-NC-SA 3.0 AT zur Verfügung gestellt. Das Bild-, Film- und Tonmaterial unterliegt abweichenden Bestimmungen; Angaben zu den Urheberrechten finden sich direkt bei den jeweiligen Medien.

MEDIEN
Die unterschiedlichen Instrumente des T.-Orchesters (von vorne beginnend): Brač – das mittlere Melodieinstrument (vorne links), Bugarija – Rhythmusinstrument (vorne rechts), Bisernica – das kleinste Melodieinstrument (Mitte links), Čelović – tiefes Melodieinstrument (Mitte), Čelo – das tiefste (Melodie-)Instrument (Mitte rechts), Berde – Bass (hinten). Foto: W. Kuzmits, Die Tamburica im Burgenland 1996, 11

DOI
10.1553/0x0001e430
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