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Theater in der Josefstadt
Privattheater in der ehemaligen Wiener Vorstadt Josefstadt (heute Wien VIII, Josefstädter Straße 26). Als Vorläufer gilt die Bühne im Saal „Zum Bauernfeind“ (Wien VIII), die F. J. Scherzer ab 1776 für Schauspiel, Ballett, Melodram und Oper nützte. 1788 ließen der Gastwirt Johann Michael Köck und seine Gattin Maria Anna im Garten ihres Hauses „Zum goldenen Straußen“ das Th. i. d. J. errichten, wobei die Initiative von ihrem Schwiegersohn K. Mayer ausgegangen war, der 1791 ein kaiserliches Privileg für „alle Gattungen von Schauspielen, deutschen und italienischen Opern, Balletten und Pantomimen erhielt. Ab 1793 verpachtete Mayer das Theater mehrmals, 1812 übernahm Joseph Huber die Leitung, 1814/15 zusammen mit J. A. Gleich. Kapellmeister waren F. Roser und F. Kauer. 1816 kaufte W. Reischel das Theater und ließ 1822 ein neues Gebäude nach Plänen von Josef Kornhäusel errichten, zur Eröffnung erklang L. v. Beethovens Ouvertüre Die Weihe des Hauses op. 124 und seine Schauspielmusik WoO 98 (Text von K. Meisl auf Beethovens Ruinen von Athen); anschließend wurde Das Bild des Fürsten, ebenfalls von Meisl, mit Musik von J. Drechsler aufgeführt.

Neuer Direktor wurde nach L. Hubers Konkurs (1821) C. F. Hensler, der einen kurzen Aufschwung brachte und neben Singspielen und Zauberopern die deutsche bürgerliche Oper etablierte (1825 EA von C. M. v. Webers Freischütz). Als Kpm. war bis 1827 F. Gläser tätig, das Orchester wurde aufgestockt. Nach Henslers Tod 1825 führte seine Tochter J. v. Scheidlin gemeinsam mit C. Carl den Betrieb weiter, der 1826–28 und 1830/31 die alleinige Leitung innehatte. Während J. v. Scheidlin das Musiktheater mit EA.en forcierte, wurde es von Carl etwas vernachlässigt, die großen Bühnendichter und Schauspieler F. Raimund, J. N. Nestroy und W. Scholz rückten in den Vordergrund. Unter Carls Nachfolger J. A. Stöger (1832–34) und den Kapellmeistern H. Payer und K. Kreutzer (1833–40) entstanden wieder beachtliche Opernaufführungen.

Auf die Brüder Ignaz Sebastian und Johann Nepomuk Scheiner folgte F. Pokorny 1837–49 als Direktor, er spielte u. a. deutsche (A. Lortzing) und italienische Opern (mit EA.en) und verpflichtete H. Proch, A. E. Titl, C. Binder und F. v. Suppè als Kapellmeister. Titls Zauberschleier (1842) wurde zu einem überragenden Erfolg. – Nach Stögers zweiter Amtszeit (1848/49, Kpm.: F. Stegmayer) und Georg Johann Wilhelm Megerle (1850–55, Kpm.: A. M. Storch) erwarb Joh. Hoffmann 1855 das Theater und leitete es zehn Jahre, wobei das Gewicht wieder auf Opernproduktionen lag. 1857 stand Rich. Wagners Tannhäuser zuerst in Hoffmanns Thaliatheater, dann auch in der Josefstadt auf dem Spielplan, im selben Jahr auch G. Verdis Troubadour. Unter den folgenden wechselnden Leitern sind J. Fürst (1865/66 und 1871–77), K. Costa (1882–85), C. Blasel (1885–89) und Ignaz Wild (1894–98) hervorzuheben, letzterer nahm kurz die Operntradition auf. Der Schauspieler Josef Jarno leitete 1899–1923 das Th. i. d. J. und führte neben französischen Schwänken August Strindberg und Frank Wedekind auf, aber auch Operetten F. Lehárs. In seine Ära fielen die Gastspiele A. Girardis.

1924 erfolgten Umbau und Wiedereröffnung unter M. Reinhardt, der eine bis heute (2006) reichende, allerdings auf das Schauspiel beschränkte Ensemble-Tradition begründete. Seine Nachfolger wurden Emil Geyer, O. Preminger, Ernst Lothar und Heinz Hilpert (1938–45 Fusion mit dem Deutschen Theater in Berlin). Die wichtigsten Direktoren nach dem Zweiten Weltkrieg waren Rudolf Steinboeck (1945–53), Franz Stoß (1958–72, gemeinsam mit E. Haeusserman 1953–58 und 1972–77), Haeusserman alleine (1977–84), Heinrich Kraus (1984–87), O. Schenk (1988–97, mit Robert Jungbluth) und Helmuth Lohner (1997–2003 und 2004–06).

Die zweite Bühne des Th.s i. d. J., die 1910 erbauten Kammerspiele (Wien I, Rotenturmstraße 20), ist wegen ihrer Komödien und Schwänke beliebt.

Mit der Geschichte des Hauses sind seit 1822 die sog. Sträußelsäle verbunden, die von Reischel 1834 mit einem von Joh. Strauß Vater dirigierten Ball eröffnet wurden. Auch J. Lanner, Ph. Fahrbach und C. Bendl spielten hier mit ihren Kapellen bei Freitagsreunionen und Sonntagsbällen auf. Nachdem die Säle 1885 geschlossen wurden, konnten sie von M. Reinhardt 1924 reaktiviert werden und sind heute noch in Verwendung.


Literatur
A. Bauer/G. Kropatschek, 200 Jahre Th. i. d. J. 1788–1988, 1988; A. Bauer, Das Th. i. d. J. zu Wien 1957; B. R. Schimscha, Das Josefstädtertheater als Opernbühne, Diss. Wien 1965; Beiträge v. O. E. Deutsch u. W. Szmolyan in ÖMZ 18 (1963); J. Gregor, Das Th. i. d. Wr. J. 1924; F. Klingenbeck (Hg.), Max Reinhardts Th. i. d. J. 1972; Czeike 5 (1997) [Sträußelsäle]; Hadamowsky 1988; ÖL 1995; H. Schindelka in Das Josefstädter Heimatmuseum 1960, H. 11; www.josefstadt.org (2/2006).

Autor*innen
Alexander Rausch
Letzte inhaltliche Änderung
19.8.2020
Empfohlene Zitierweise
Alexander Rausch, Art. „Theater in der Josefstadt‟, in: Oesterreichisches Musiklexikon online, begr. von Rudolf Flotzinger, hg. von Barbara Boisits (letzte inhaltliche Änderung: 19.8.2020, abgerufen am ), https://dx.doi.org/10.1553/0x0001e471
Dieser Text wird unter der Lizenz CC BY-NC-SA 3.0 AT zur Verfügung gestellt. Das Bild-, Film- und Tonmaterial unterliegt abweichenden Bestimmungen; Angaben zu den Urheberrechten finden sich direkt bei den jeweiligen Medien.

MEDIEN
Innenansicht,aus Wiens vorzüglichste Gebäude und Monumente, Bl. 61 [1822]
Zeitungsillustration Zum hundertjährigen Jubiläum, 1888© ÖNB
© ÖNB

DOI
10.1553/0x0001e471
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