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Tierhorn
T.er (Widder-, Bocks-, Kuhhörner, auch Elefantenstoßzähne) dienten und dienen vielfach als einfache Signalinstrumente. Man erzeugt sie durch Absägen der Hornspitze und Zurechtschleifen des Anblasloches, sodass durch Hineinblasen ein roher, weitreichender Ton entsteht. Im Mittelalter findet man sie in der Hand von Hirten, Wächtern, Boten und Jägern; später wurden die Signalhörner unter dem Einfluss des städtischen Handwerkes aus Metall gebaut, zunächst aber immer noch als Imitationen von T.ern. In frühen österreichischen Quellen findet man einerseits bei der Illustration biblischer Szenen Darstellungen des Schofars, des jüdischen Widderhornes; andererseits in weltlichen Szenen den Olifant, ein oft kunstvoll beschnitztes Elfenbeinhorn, das im Mittelalter ein wertvolles Standessymbol hoher Herren im Krieg und bei der Jagd war. Das „heimische“ T. als Attribut von Hirten und Wächtern findet man in Krippendarstellungen. Nachthorn und Taghorn als Liedbezeichnung beim Mönch von Salzburg, Ende 14. Jh., verweisen ebenfalls auf dieses Instrument. Ob der Nonsberger Märtyrerbericht von 397, der davon spricht, dass einer der Priester durch das heftige Getön des Hornes erschüttert und mit Schlägen zu Tode gebracht wurde, ein T. meint, ist nicht gesichert. Doch ist ein Altargemälde aus Assling/Osttirol von ca. 1430, das zwei Hornbläser in Aktion bei der Verspottung Christi zeigt, eine Parallele in Hinblick auf die Funktion dieses Instrumentes. Sowohl bei der Jagd (Jagdmusik) als auch bei den Hirten, den Postillionen und den Thurnern wurde das rohe Signalhorn im Lauf der Zeit durch mehrtönige Musikinstrumente abgelöst (Jagd-, Hirten-, Post-, Thurnerhorn); zur Warnung vor Feuersbrünsten und anderen Unglücksfällen dürfte das T. jedoch noch lange verwendet worden sein.

In Bräuchen hat es sich teilweise bis heute erhalten, so als Signalinstrument beim „Georgijagen“ in Kärnten, beim „Scheibenschlagen“ im Vinschgau, beim „Anklöckeln“ im Sarntal, oder beim Pragser Nikolausspiel (alle Südtirol). Gebraucht wurde es auch als Wetterhorn zur Vertreibung herannahender Gewitter, als Signalgerät zur Ankündigung von Nachrichten und von sonntäglichen Andachten, beim Weinhüten (s. Abb.) oder auch zur Regelung des Arbeitsablaufes beim Verlegen von Telefonkabeln. Beim „Perchtentanz“ im Pinzgau/Sb und in Nordtirol wurde um 1900 noch auf einem Stierhorn mit Holzmundstück eine eigene Melodie geblasen, die angeblich schaurig klang, aber einen eigenen Zauber ausübte. In mehreren österreichischen Sammlungen werden T.er aufbewahrt.


Literatur
K. Birsak/M. König, Das große Salzburger Blasmusikbuch 1983; W. Deutsch, Das große niederösterr. Blasmusikbuch 1982; W. Deutsch in ÖMZ 42 (1987); G. Haid in Th. Nußbaumer/J. Sulz (Hg.), Musik im Brauch der Alpenländer. Bausteine für eine musikalische Brauchforschung 2001 [mit CD]; K. M. Klier, Volkstümliche Musikinstrumente in den Alpen 1956 [Kapitel „Urtümliches“].

Autor*innen
Gerlinde Haid
Letzte inhaltliche Änderung
22.3.2022
Empfohlene Zitierweise
Gerlinde Haid, Art. „Tierhorn“, in: Oesterreichisches Musiklexikon online, begr. von Rudolf Flotzinger, hg. von Barbara Boisits (letzte inhaltliche Änderung: 22.3.2022, abgerufen am ), https://dx.doi.org/10.1553/0x0001e499
Dieser Text wird unter der Lizenz CC BY-NC-SA 3.0 AT zur Verfügung gestellt. Das Bild-, Film- und Tonmaterial unterliegt abweichenden Bestimmungen; Angaben zu den Urheberrechten finden sich direkt bei den jeweiligen Medien.

MEDIEN
Hildegard Kraupa, Weinlese, Sgraffito-Wandbild (1959/60). Gemeindebau Arnethgasse 95–99 (Wien XVI)© Björn R. Tammen
© Björn R. Tammen

DOI
10.1553/0x0001e499
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