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Verein für musikalische Privataufführungen
Von A. Schönberg gegründeter Verein zur Aufführung moderner Werke, in deren Rahmen von November 1918 bis Ende 1921 insgesamt 117 Konzerte stattfanden. Schönberg fungierte als Präsident, der Vorstand wurde durch 19 Schüler oder Freunde Schönbergs besetzt, darunter A. Berg, A. Webern, J. Polnauer, K. Rankl, E. Ratz, V. Ullmann, O. Novakovic, E. Bachrich, E. Steuermann und P. A. Pisk. Neben der Förderung moderner Komponisten und ihrer Werke stellte das Primärziel aber vor allem eine allmähliche Publikumserziehung dar, d. h. die Zuhörer sollten die Möglichkeit haben, an die zeitgenössischen Werke herangeführt zu werden. Um die Kompositionen besser kennenlernen zu können, wurden einige Werke in folgenden Konzerten mehrmals wiederholt, außerdem fanden teilweise erläuternde Einführungen statt. Bei den Konzerten sollten alle störenden Einflüsse vermieden werden, es wurden daher sowohl Beifalls- als auch Missfallensbekundungen untersagt; auch in den Zeitungen durfte keine Reklame verbreitet werden und die Programme wurden im Vorfeld nicht veröffentlicht. Der Besuch der Konzerte war nur ordentlichen Mitgliedern gestattet, die Mitgliedsbeiträge orientierten sich dabei an den wirtschaftlichen Verhältnissen, sodass praktisch jeder die Möglichkeit hatte beizutreten. Um einen besseren Kontakt zwischen dem Publikum und den Künstlern gewährleisten zu können, musste die Mitgliedschaft mindestens ein Jahr betragen. Die Idee zur Gründung des Vereins entwickelte sich aus einer Reihe von zehn öffentlichen Proben von A. Schönbergs Kammersinfonie op. 9 (Juni 1918), bei dem den Hörern das Werk systematisch nähergebracht wurde. Aufführungsort des Vereins war zunächst der Festsaal des Kaufmännischen Vereins, ab Februar 1919 der Brahmssaal des Wiener Musikvereins, ab der Saison 1919/1920 der Schubertsaal des Wiener Konzerthauses, ab der Saison 1920/21 der Saal des Klubs österreichischer Eisenbahnbeamter, ab Herbst 1921 auch der Festsaal der Schwarzwaldschen Schulanstalten (E. Schwarzwald) sowie der Festsaal des Ingenieur- und Architektenvereins. Insgesamt wurden 154 zeitgenössische Werke gespielt, wobei keine Stilrichtung bevorzugt werden durfte. Daneben kamen Kompositionen insbesondere von G. Mahler, aber auch R. Strauss und dem späten A. Bruckner zur Aufführung. Auch beschränkte sich das Repertoire nicht allein auf Mitglieder der Wiener Schule, sondern zeigte ein breites Spektrum zeitgenössischer Musik (obwohl Schönberg den Verein gegründet hatte, wurden dessen eigene Werke erst ab 1920 aufgeführt). Die einzelnen Kompositionen wurden für gewöhnlich sehr intensiv und mit zahlreichen Proben einstudiert; die zuständigen Vortragsmeister, die sich für die Proben verantwortlich zeigten, waren A. Schönberg, A. Berg, A. Webern, E. Steuermann, E. Stein und B. Sachs. Aufgeführt wurden neben Werken von A. Schönberg, A. Webern und A. Berg besonders häufig Kompositionen von Béla Bartók, G. Mahler, Claude Debussy oder Max Reger, darüber hinaus Werke von u. a. J. Bittner, F. Busoni, Paul Dukas, J. M. Hauer, Zoltán Kodály, E. W. Korngold, Modest Mussorgsky, H. Pfitzner, Maurice Ravel, R. Réti, Erik Satie, F. Schreker, Bernhard Sekles, Alexander Skrjabin, R. Strauss, Igor Strawinsky, Josef Suk, K. Szymanowski, K. Weigl, F. Weingartner, E. Wellesz und A. Zemlinsky. Da im Verein aus Kostengründen kein großes Orchester engagiert werden konnte, kamen hauptsächlich Klavier- und Kammermusikwerke sowie Lieder zur Aufführung, später wurden auch Orchesterwerke für Klavier oder Kammerorchester bearbeitet, so z. B. G. Mahlers 4. Sinfonie sowie seine Lieder eines fahrenden Gesellen, A. Schönbergs Fünf Orchesterstücke op. 16 oder A. Bruckners 7. Sinfonie. Als Interpreten beteiligten sich anfangs hauptsächlich junge Künstler, später konnten auch etablierte Sängerinnen und Instrumentalisten gewonnen werden, wie u. a. R. Serkin, R. Kolisch, M. Gutheil-Schoder, F. Hüni-Mihacsek, E. Wagner, Arthur Fleischer, E. Heim oder das Feist-Quartett.
Literatur
M. Grassl/R. Kapp (Hg.), Die Lehre von der musikalischen Aufführung in der Wiener Schule 1995; H.-K. Metzger/R. Riehn (Hg.), Schönbergs Verein für musikalische Privataufführungen 1984; E. Feß in Journal of the Arnold Schönberg Center 15 (2018); K. Bicher in Musiken. Fs. f. Chr. Kaden 2011; Beiträge von E. Ratz u. W. Szmolyan in Arnold Schönberg. Gedenkausstellung 1974, 1974; Th. Brezinka in Wr. Musikgeschichte. Annäherung – Analysen – Ausblicke 2009; I. Vojtech in Arnold Schönbergs Wiener Kreis / Viennese Circle. Bericht zum Symposium / Report of the Symposium 12.–15. September 1999, 2000.

Autor*innen
Meike Wilfing-Albrecht
Letzte inhaltliche Änderung
17.12.2020
Empfohlene Zitierweise
Meike Wilfing-Albrecht, Art. „Verein für musikalische Privataufführungen‟, in: Oesterreichisches Musiklexikon online, begr. von Rudolf Flotzinger, hg. von Barbara Boisits (letzte inhaltliche Änderung: 17.12.2020, abgerufen am ), https://dx.doi.org/10.1553/0x003c19b3
Dieser Text wird unter der Lizenz CC BY-NC-SA 3.0 AT zur Verfügung gestellt. Das Bild-, Film- und Tonmaterial unterliegt abweichenden Bestimmungen; Angaben zu den Urheberrechten finden sich direkt bei den jeweiligen Medien.

MEDIEN
Statuten des Vereins für musikalische Privataufführungen, 1© Arnold Schönberg Center Image Archive (VMP5024-Statuten)