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Wagner, Wagner, true Familie
Die Beziehungen des Dichterkomponisten Richard W. (* 22.5.1813 Leipzig/D, † 13.2.1883 Venedig/I) zu Österreich begannen mit seinem Wienbesuch im August/September 1832, den er von Böhmen aus unternahm. Intensive Kontakte mit Persönlichkeiten der kulturellen Öffentlichkeit (u. a. E. v. Bauernfeld, F. Grillparzer, E. Hanslick) pflegte W., als er 1848 in der Donaumetropole für sein Konzept eines Nationaltheaters warb. Besonders eng und nachhaltig wurden die Beziehungen zu Wien zwischen 1861/64. In mehreren Aufenthalten (die Nacht vom 13. zum 14.8.1861 verbrachte er auf der Anreise bei strömendem Regen in Salzburg) versuchte er zunächst, sein Musikdrama Tristan und Isolde zur Aufführung zu bringen. Doch nach 77 Proben wurde die Arbeit abgebrochen und das Stück als unaufführbar zurückgewiesen. Mit großer Genugtuung wohnte W. hingegen einer Vorstellung des Lohengrin bei und war von der künstlerischen Qualität ebenso begeistert wie über die Reaktion des Publikums erfreut.

Mit dieser Lebensstation in Wien fest verbunden war die Entstehung der Meistersinger von Nürnberg. Dem endgültigen Plan zu diesem Werk folgte im November 1861 der Prosaentwurf, und am 23.11.1862 fand in der Wohnung des befreundeten Arztes J. Standhartner eine Lesung der kompletten Dichtung statt, an der – durchaus folgenreich für die spätere Rezeption – auch der Musikologe und Kritiker Hanslick teilnahm. In dieser Zeit gewann W. P. Cornelius zum Freund und Jünger; auch J. Brahms nahm an der Genese der Meistersinger 1862/63 lebhaften Anteil. Im Juni 1863 entstanden bereits erste Partiturseiten der Komposition. Durch finanziell erfolgreiche Reisen nach Prag, St. Petersburg/RUS, Moskau und Budapest euphorisch gestimmt, bezog W. am 12.5.1863 eine komfortable Villa in Penzing (heute Wien XIV, Hadikgasse 72), die er kostspielig einrichtete. Dieser luxuriöse Lebensstil zwang den Komponisten bei geringer werdenden Einnahmen zur Flucht vor seinen Gläubigern und der Justiz. Er hinterließ seinen Flügel und andere Wertgegenstände und verließ Wien am 23.3.1864 zunächst in Richtung München, von wo er bald zu der ihm wohl gesonnenen Eliza Wille nach Mariafeld bei Zürich/CH aufbrach.

Als W. mit seiner Frau Cosima (* 25.12.1837 Bellagio/I, † 1.4.1930 Bayreuth/D) im November/Dezember 1875 zu Vorstellungen seiner Werke an der Hofoper wieder nach Wien kam, logierte er als hochgeehrter und viel bewunderter Großmeister im Hotel Imperial. Der 15-jährige H. Wolf machte ihm dort seine Aufwartung und nahm von der kurzen Begegnung den lebenslangen Traum – und das Trauma – einer Existenz als erfolgreicher Opernkomponist mit. Im Zuge der von Hanslick geschürten Polemik gegen die Programmmusik und die neudeutsche Kompositionsweise ergriff A. Bruckner die Partei W.s, dem er bei einem Besuch in Bayreuth (13./14.9.1873) seine 3. Symphonie widmete.


Schriften
R. Wagner, Mein Leben. Vollständige, kommentierte Ausg. hg. v. M. Gregor-Dellin 1976.
Gedenkstätten
R.-W.-Gasse (Brunn am Gebirge/NÖ, Graz III, Groß-Enzersdorf/NÖ, Königstetten/NÖ, Mödling, Perchtoldsdorf); Bronzekopf an der Südwestseite der Grazer Oper; Gedenktafel am Standort des Geburtshauses in Leipzig, Am Brühl (s. Abb.); Gedenktafel am Hotel Imperial, Wien I, Kärntner Ring 16 (s. Abb.).


Sein Sohn Siegfried (* 6.6.1869 Tribschen bei Luzern/CH, † 4.8.1930 Bayreuth), der mit Märchenopern im Stile Engelbert Humperdincks aus dem übermächtigen Schatten des Vaters treten und seinen eigenen Weg finden wollte, hatte mit Der Bärenhäuter (1899) unter der Leitung von G. Mahler an der Wiener Hofoper zunächst ebenso Erfolg wie 1902 mit einem Konzert, in dem er eigene Werke dirigierte. Nach seinem Tod leitete seine Frau Winifred W. (geb. Williams, * 23.6.1897 Hastings/GB, † 5.3.1980 Überlingen/D) die Bayreuther Festspiele, bei denen Hitler und andere Nazi-Größen gern gesehene Gäste waren. Auf der anderen Seite aber half sie zahlreichen Verfolgten. Auch Melanie Adler, Tochter des Wiener Musikwissenschaftlers G. Adler, versuchte – allerdings letztlich erfolglos – Bibliothek und Sammlungen ihres Vaters durch Überführung nach Bayreuth zu retten.

Aus der Generation der W.-Enkel hat Wieland W. (* 5.1.1917 Bayreuth, † 17.10.1966 München) als bereits anerkannter Regisseur und Erneuerer der Bayreuther Festspiele mehrmals an der Wiener Staatsoper inszeniert (16.5.1965: Lohengrin, 25.11.1965: Salome, 16.12.1965: Elektra). Der fliegende Holländer wurde postum von seiner Witwe Gertrud W. (geb. Reissinger, 1916–98) szenisch betreut (Premiere 2.3.1967).

Von den Urenkeln sind zwei enger mit Österreich verbunden: Nike W. (* 9.6.1945 Überlingen am Bodensee), die zweitälteste Tochter Wie. W.s, lebt als Publizistin, Kulturessayistin und erfolgreiche Buchautorin in Wien. Sie ist mit J. Stenzl verheiratet und war 2004–13 als Intendantin des Kunstfestes in Weimar/D um eine fruchtbare Konfrontation der Werke ihres Ahnen F. Liszt mit zeitgenössischer Musik bemüht. Wieland Lafferentz (* 1949), ein Sohn von R. W.s Enkelin Verena (* 2.12.1920 Bayreuth) und Bodo Lafferentz (1897–1974), als Dirigent ausgebildet, lebt in Salzburg und war zwischen 1998/2003 als Geschäftsführer der Internationalen Stiftung Mozarteum tätig. Ein weiterer Urenkel, Gottfried W. (* 1947 Bayreuth), Sohn des Regisseurs und Festspielleiters Wolfgang W. (* 30.8.1919 Bayreuth, † 21.3.2010 Bayreuth), studierte Musikwissenschaft u. a. in Wien (Dr. 1977), war als Regisseur tätig und beschäftigt sich als Publizist u. a. mit dem Antisemitismus innerhalb der Familie W. sowie ihrer Verstrickung mit dem Nationalsozialismus.


Literatur
U. Müller/P. Wapnewski (Hg.), R.-W.-Hb. 1986; M. Gregor-Dellin/M. v. Soden, R. W. Leben – Werk – Wirkung 1983; M. Gregor-Dellin, R. W. Sein Leben. Sein Werk. Sein Jh. 1980; H. Mayer, R. W. 1959 (zahlreiche Neuaufl.n); U. Müller/O. Panagl, Ring u. Gral 2002; W. S. Wagner, Die Gesch. unserer Familie in Bildern. Bayreuth 1876–1976, 1976; B. Hamann, Die Familie W. 2005; P. P. Pachl, S. W. Genie im Schatten 1988; N. Wagner, W. Theater 1998; B. Hamann, Winifred W. oder Hitlers Bayreuth 2002; G. Wagner, Wer nicht mit den Wölfen heult 1997; eigene Recherchen.

Autor*innen
Oswald Panagl
Letzte inhaltliche Änderung
6.5.2022
Empfohlene Zitierweise
Oswald Panagl, Art. „Wagner, Familie‟, in: Oesterreichisches Musiklexikon online, begr. von Rudolf Flotzinger, hg. von Barbara Boisits (letzte inhaltliche Änderung: 6.5.2022, abgerufen am ), https://dx.doi.org/10.1553/0x0001e604
Dieser Text wird unter der Lizenz CC BY-NC-SA 3.0 AT zur Verfügung gestellt. Das Bild-, Film- und Tonmaterial unterliegt abweichenden Bestimmungen; Angaben zu den Urheberrechten finden sich direkt bei den jeweiligen Medien.

MEDIEN
Winifred und Wieland Wagner mit Adolf Hitler im Garten des Hauses „Wahnfried“, 23.7.1938© Bildarchiv Austria, ÖNB
Gedenktafel am Standort des Geburtshauses von Richard Wagner in Leipzig, Am Brühl © Hermann Zwanzger
© Hermann Zwanzger
Gedenktafel am Hotel Imperial, Wien I, Kärnter Ring 16© Hermann Zwanzger
© Hermann Zwanzger
HÖRBEISPIELE

Richard Wagner, Marsch aus Tannhäuser, Spielwerk vermutlich von Josef Olbrich

DOI
10.1553/0x0001e604
GND
Wagner, Richard: 118594117
OBV
Weiterführende Literatur
GND
Wagner, Cosima: 118628232
OBV
Weiterführende Literatur
GND
Wagner, Siegfried: 118628429
OBV
Weiterführende Literatur
GND
Wagner, Winifred: 118805932
OBV
Weiterführende Literatur
GND
Wagner, Wieland: 118770764
OBV
Weiterführende Literatur
GND
Wagner, Nike: 119522160
OBV
Weiterführende Literatur
GND
Wagner, Wieland Lafferentz: 1046870947
OBV
Weiterführende Literatur
GND
Wagner, Gottfried: 119443600
OBV
Weiterführende Literatur

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