W. ist durch drei epochale Neuerungen in seiner Lyrik hervorgetreten: Er hat als erster Dichter und Komponist des Mittelalters politische Lyrik geschrieben und die Herrschenden (Kaiser, König, Fürsten) und den Papst heftig kritisiert, aber auch gelobt. Die Sorge um die Zustände im Reich steht im Mittelpunkt, denken wir nur an die Doppelwahl des Staufers Philipp und des Welfen Otto 1198. Zweitens ist er der erste deutschsprachige Autor, der sein Ich so sehr in den Vordergrund gestellt hat – ein neues Selbstbewusstsein eines prominenten Fahrenden. Drittens hat er den traditionellen Minnesang mit der Verehrung der unerreichbaren Dame überwunden, indem er die gegenseitige Liebe zum Thema machte. Im Alter hat er den Abschied von der Welt und religiöse Themen behandelt. Mittelalterliche Lyrik war gesungene, vor einem exklusiven Publikum vorgetragene Lieddichtung, doch ist von W. nur eine einzige Melodie zum sog. Palästinalied erhalten.
W. wurde im 19. Jh. v. a. durch die Biographie Ludwig Uhlands von 1822 und die Übersetzung von Karl Simrock 1833 im ganzen deutschen Sprachraum bekannt und auch politisch missbraucht. Dazu gehört das „Lied der Deutschen“ des Breslauer Germanisten Heinrich Hoffmann von Fallersleben mit dem Refrain „Deutschland, Deutschland über alles“ auf der Grundlage von W.s „Preislied“. 1922 wurde das Lied zur deutschen Nationalhymne, die Nationalsozialisten missbrauchten W. ebenfalls. 1952 wurde das Lied nach einem heftigen Streit die Hymne der neuen Bundesrepublik Deutschland, jedoch nur mit dem Text der dritten Strophe („Einigkeit und Recht und Freiheit [...]“) auf die Melodie der alten österreichischen Kaiserhymne (Volkshymne). Wie sehr die Figur W.s noch in der 2. Hälfte des 20. Jh.s instrumentalisiert wurde, zeigte der Streit um das W.-Denkmal auf dem W.-Platz in Bozen. Es wurde 1935 entfernt, weil es als Symbol der deutschsprachigen Bevölkerung galt. Erst 1985 kam es nach dem Ende der Auseinandersetzung um die Autonomie der Provinz zurück.
Wie faszinierend der Autor heute (2006) noch ist, zeigen die zahlreichen Liedermacher, von denen Aufnahmen vorliegen.
W. v. d. V.-Straße (Traiskirchen/NÖ); Vogelweiderstraße (Graz III).
Kritische Ausg.n v. K. Lachmann, 14., völlig neu bearb. Aufl. v. Ch. Cormeau 1996; G. Schweikle, 2 Bde. 1994–96; neueste Übertragung ins Neuhochdt.e v. F. V. Spechtler 2003.
H. Brunner et al., W. v. d. V. Epoche – Werk – Wirkung 1996 (mit Diskographie); Th. Bein, W. v. d. V. 1997; M. G. Scholz, W. v. d. V. 1999.