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Zeisl, Zeisl, true Erich (Eric)
* 1905 -05-1818.5.1905 Wien, † 1959 -02-1818.2.1959 Los Angeles, CA/USA. Komponist, Pianist. Kompositionsunterricht bei R. Stöhr (1920/21 an der Wiener MAkad., dann privat), J. Marx und H. Kauder. Durch Stöhr und Marx stand Z. in der Tradition J. Brahms’ und H. Wolfs, durch den innovativeren H. Kauder stand er in der Vermittlung der Tradition G. Mahlers. Z.s Domäne im Wien der Zwischenkriegszeit war die Liedkomposition, im Kreis der moderaten Wiener Moderne konnte er sich, 1934 in Radio Wien von P. A. Pisk als „eine der stärksten Persönlichkeiten der noch nicht dreißigjährigen Wiener Komponisten“ bezeichnet, erfolgreich etablieren. Pisk nahm Bezug auf Z.s bis dahin vorliegendes umfangreiches Œuvre: zahlreiche Kunstlieder, Kammermusik- und Chorwerke, die frühe Oper Die Sünde (1927/28), das im Zeitgeist der 1920er Jahre komponierte Ballett Pierrot in der Flasche (1929) – dieses Werk gilt als gelungenes Beispiel für die Synthese von tradierter Kompositionstechnik mit den Einflüssen des amerikanischen Jazz –, die Kleine Messe (1932) oder das im Entstehen begriffene Requiem Concertante (1933/34). Das Requiem Concertante wird in der Literatur oftmals als im Jahr 1934 mit dem vom austrofaschistischen Regime als kulturpolitisches Instrumentarium eingerichteten österreichischen Staatspreis bedacht gewesenes Werk kolportiert – diese Behauptung muss revidiert werden: Dem Komponisten wurde 1934 lediglich eine finanzielle staatliche Unterstützung von 100 Schilling zur Gewährung eines „Kopiaturbeitrags“ zuteil, die Bewilligung dieses Geldbetrags dürfte vermutlich Auslöser für diesen Irrtum und in weiterer Folge als „der österreichische Staatspreis“ interpretiert worden sein. Z.s Musik erfuhr zwischen 1934/38 keine Ausgrenzung, in seiner Tonsprache war er einer jener Schaffenden, die als Vertreter der „Moderne“ akzeptiert wurden, obgleich er sich in keiner Weise mit dem Austrofaschismus arrangierte oder sich instrumentalisieren ließ. Interessant zeigen sich Z.s Chorwerke dieser Zeit: Obschon auf unterschiedliche Weise, vermitteln das ins Populäre reichende Afrika singt (1930/31) und die suggestive Spruchkantate (1935) nach Sprüchen Silesius’, Salomons und Johann Wolfgang v. Goethes Aktualität und Experimentierfreude im weitesten Sinne, das letztgenannte Werk kommt einem Austesten von Effekten in der Chormusik gleich. Traditioneller hingegen blieb Z. in den späteren symphonischen Werken wie der Passacaglia für grosses Orchester (1933/34) und der Kleinen Symphonie (1935/36). Dem Wiener Kunst- und Kulturleben galt E. Z. als eine integre Persönlichkeit: In den 1930er Jahren war er Mitglied der interdisziplinären Gruppe Junge Kunst um den Dichter und Psychoanalytiker Alfred Farau (geb. Fred Hernfeld) und den Komponisten J. Chajes, mit der Autorin Hilde Spiel und der Malerin Lisel Salzer pflegte er engen freundschaftlichen Kontakt, künstlerische Zusammenarbeit verband ihn etwa mit dem Librettisten Hugo Friedrich Königsgarten oder mit den Dirigenten K. H. Adler und C. Alwin. Nach der Reichspogromnacht im November 1938 flüchtete Z. nach Paris, wo er auf Darius Milhaud traf und über die Pariser Emigrantenzirkel mit P. Stefan, M. Rubin, A. Mahler-Werfel, Franz Werfel und H. Kafka in Verbindung stand. Anlässlich einer Joseph Roth-Gedenkveranstaltung im Théâtre Pigalle komponierte Z. die Musik zur von H. Kafka adaptierten Bühnenversion von Roths Roman Hiob. Die Beschäftigung mit diesem Stoff, den er später auch vom Drama zur Oper umarbeitete, nannte er selbst als Indikator seiner „Stilwende am Scheideweg“. War seine Stilistik vor 1938 von Wiener Musiktradition geprägt, so schuf er nun im Exil in „innerer Rückkehr“ und in Besinnung auf seine jüdische Identität v. a. Werke „jüdischen Idioms“, in den Vereinigten Staaten markant ausgeprägt etwa im Requiem Ebraico (1944/45) oder in den auf biblische Themen gestützten Balletten The Vineyard (1953) und Jacob and Rachel (1954). Im September 1939 exilierte Z. nach New York/USA, wo bereits kurz nach seiner Ankunft Passacaglia und Little Symphony mit dem Radio City Music Hall Symphony Orchestra unter Ernö Rapée erfolgreich ausgestrahlt wurden. Dem Ruf Hollywoods folgend übersiedelte er schließlich mit Unterstützung der Freunde H. Eisler und H. Kafka 1941 an die amerikanische Westküste. In Los Angeles war Z. für MGM (Metro-Goldwyn-Mayer) und Universal International als Komponist und Arrangeur tätig, bevor er, enttäuscht vom Filmmusikbetrieb, ab 1946 an der Southern California School of Music and Arts und ab 1949 am renommierten Los Angeles City College lehrte. 1948–50 war er „composer in residence“ am für amerikanische jüdische Jugendliche eingerichteten Brandeis Camp Institute, ebenso unterrichtete er im Rahmen des Arrowhead Music Camp, wo 1956 das „Arrowhead“ Trio als letztes vollendetes Werk entstand. 1957 und 1958 war Z. schließlich Stipendiat der Huntington Hartford Foundation, im Rahmen derer er sich seiner letztlich unvollendet gebliebenen Oper Hiob widmen konnte. Enge Kontakte pflegte Z. in Los Angeles zu den Exilösterreichern E. W. Korngold, E. Toch, H. Eisler und zu den Hollywood-Kollegen Alexandre Tansman und Mario Castelnuovo-Tedesco. E. Z. verstarb im Februar 1959 unerwartet im Alter von 53 Jahren im amerikanischen Exil an den Folgen eines Herzinfarkts, den er nach einer Vorlesung am City College erlitten hatte. Von seinen Brüdern waren Egon Z. (1901–63) als Opernsänger und William Z. (1907–74) als Kantor tätig.
Werke
Opern (Die Sünde 1927/28, Leonce u. Lena 1937, Hiob 1939, unvollendet), Ballette (Pierrot in der Flasche 1929, Uranium 235, 1945/46, The Vineyard 1953, Jacob and Rachel 1954), Orchesterwerke (Passacaglia f. großes Orch. 1933/34, Kleine Symphonie 1935/36, Piano Concerto in C Major 1951/52, Concerto Grosso for Cello and Orchestra 1955/56), Chorwerke (Afrika singt 1930/31, Kleine Messe 1932, Requiem Concertante 1933/34, Spruchkantate 1935, Der 29. Psalm – „Herrlichkeit Gottes im Gewitter“ 1935/36, The 92nd Psalm – Requiem Ebraico 1944/45, A-cappella-Chöre), Kammermusik (Suite f. Kl., V. u. Vc. op. 8, ca. 1920–24, Erstes Streichquartett ca. 1930–33, Sonata for Violin and Piano – Brandeis Sonata 1949/50, Sonata for Viola and Piano 1950, Sonata for Cello and Piano 1951, Second String Quartet 1953, Triosuite for Flute, Viola and Harp – „Arrowhead“ Trio 1956), Instrumentalwerke (Kl., Org.), Lieder (bis 1938 ca. 100 Kunstlieder), Filmmusiken.
Schriften
Musikerziehung in Amerika in Zs. zur Erneuerung der Musikpflege 3/2 (1949), 99.
Literatur
NGroveD 27 (2001); Baker 1978; KdG 7. Nachlfg. (Februar 1995); JAMS 30 (1977), 72; ÖMZ 30 (1975), 595; ÖMZ 60/8 (2005), 24; Zwischenwelt 20/4 (2004), 47; MQ 64 (1978), 237; Opera Quarterly 2 (1992), 52; Current Musicology 18 (1974), 71; M. S. Cole/B. Barclay, Armseelchen. The Life and Music of Eric Z. 1984; Österr. Musiker im Exil 1990; Orpheus im Exil 1995; K. Wagner, Fremd bin ich ausgezogen. Eric Z. – Biografie 2005; Biogr. Hb. der dtspr. Emigration 1983; www.schoenberglaw.com/zeisl (7/2006). – Nachlass: Eric Z. Archive, University of California Los Angeles (UCLA), Special Collections.

Autor*innen
Karin Wagner
Letzte inhaltliche Änderung
17.7.2006
Empfohlene Zitierweise
Karin Wagner, Art. „Zeisl, Erich (Eric)‟, in: Oesterreichisches Musiklexikon online, begr. von Rudolf Flotzinger, hg. von Barbara Boisits (letzte inhaltliche Änderung: 17.7.2006, abgerufen am ), https://dx.doi.org/10.1553/0x0001e78d
Dieser Text wird unter der Lizenz CC BY-NC-SA 3.0 AT zur Verfügung gestellt. Das Bild-, Film- und Tonmaterial unterliegt abweichenden Bestimmungen; Angaben zu den Urheberrechten finden sich direkt bei den jeweiligen Medien.


DOI
10.1553/0x0001e78d
GND
Zeisl, Erich (Eric): 103963952
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