Logo ACDH-CH
OeML Schriftzug
Logo OeML
Logo Verlag

Zimmermann, Zimmermann, true Robert von
* 1824 -11-022.11.1824 Prag, † 1898 -08-3131.8.1898 Prag (begr. am Wiener Zentralfriedhof). Philosoph und Literat, Theoretiker und Historiker der Ästhetik. Sohn des Gymnasialprofessors und späteren Beamten der Studienhofkommission Johann August Zimmermann (1793–1869). Gymnasialbesuch in Prag, daneben philosophischer und mathematischer Privatunterricht durch B. Bolzano, ab 1840 Univ.sstudium in Prag (u. a. bei Franz S. Exner [1802–53]), ab 1844 Fortsetzung der Studien (Philosophie, Mathematik, Physik, Chemie und Astronomie) und in Wien (in dieser Zeit auch literarische Veröffentlichungen, v. a. Lyrik). Promotion 1846, 1847–49 Assistent an der Univ.ssternwarte, während der Revolution von 1848 Mitglied der akademischen Legion. 1849 Habilitation und Berufung als ao. Prof. für Philosophie an die Univ. Olmütz, 1852–61 o. Prof. an der Prager Karls-Univ. (1860/61 Dekan), 1861–96 an der Univ. Wien (1865/66 und 1876/77 Dekan, 1886/87 Rektor). Zahlreiche Veröffentlichungen zur Geschichte und Systematik der Philosophie und zu künstlerisch-literarischen Themen. 1889 Mitbegründer und bis zum Tod Vorsitzender der Grillparzer -Gesellschaft, Mitglied diverser literarischer Zirkel und ab 1878 der ständigen Ministerialkommission für die Verleihung von Künstlerstipendien.

Z. definierte die Philosophie als von der menschlichen Erfahrung ausgehende (anthropozentrische) Wissenschaft, die jedoch die Ebene empirischer Erkenntnis durch regulierende Orientierung an der Logik überschreite; in diesem Sinn bemühte er sich um die Einbeziehung empirischer Erkenntnisse der Psychologie und auch der Naturwissenschaften in die Philosophie. Konkret orientierte er sich besonders an Gottfried Wilhelm Leibniz, Bolzano und Johann Friedrich Herbart, der Tradition des deutschen Idealismus, insbesondere Georg Wilhelm Friedrich Hegel und seinen Schülern, stand er betont kritisch gegenüber. Z.s Philosophische Propaedeutik (1853 in zwei Bänden, 1860 und 1867 in grundlegend überarbeiteten Neuauflagen in einem Band) war für mehrere Jahrzehnte das verbreitetste Lehrbuch für das Fach Philosophie an Gymnasien der Habsburgermonarchie (Übersetzungen ins Ungarische, Italienische, Polnische und Niederländische). Als Z.s philosophisches Hauptwerk gilt die zweibändige Geschichte der Aesthetik als philosophischer Wissenschaft (1858–65), deren Historisch-kritischer Teil (1. Band) eine Pionierleistung darstellte und bis heute als „Standardwerk der Geschichte der Ästhetik“ (Allesch) angesehen werden kann. Während Z. in jüngeren Jahren unter dem direkten Einfluss der ästhetischen Auffassungen Bolzanos für eine Verknüpfung formalästhetischer und rezeptionstheoretischer Überlegungen plädierte, bekannte er sich später – unter dem prägenden Einfluss Herbarts, dessen Ideen zur Ästhetik er systematisierte und zu einer „exakten Wissenschaft“ erheben wollte – zu einer reinen Formalästhetik, der zufolge Schönheit in der künstlerischen Form begründet liege, wobei diese Form als Resultat sichtbarer, formalisierbarer und berechenbarer Gesetzmäßigkeiten, „das Schöne“ mithin als objektiv beschreibbar aufgefasst wird (damit verbunden Kritik an den Auffassungen F. Th. Vischers und Hegels).

In musikästhetischer Hinsicht bemerkenswert sind Z.s Untersuchungen zum Einfluss der Musiktheorie auf die ästhetischen Auffassungen Herbarts – in diesem Zusammenhang öffentliche Auseinandersetzung mit Joseph Wilhelm Nahlowsky über Herbart und die Musik in der Zeitschrift für exakte Philosophie 3 u. 4 (1863/64) – und seine Ansätze zu einer Revision der Musiktheorie Herbarts auf Grundlage der Untersuchung über Tonempfindungen von Hermann von Helmholtz. Z.s folgenreichster musikphilosophischer Beitrag ist jedoch sein Einfluss auf E. Hanslick, mit dem ihn lebenslang eine enge Freundschaft verband, insbesondere auf dessen theoretisches Hauptwerk Vom Musikalisch Schönen (1854), auf das er – v. a. durch die Vermittlung der Ideen Bolzanos – prägend einwirkte. Hanslick arbeitete einige Anmerkungen aus Z.s Rezension von Vom Musikalisch Schönen in die gründlich überarbeitete zweite Auflage ein, Z. seinerseits verteidigte Hanslicks Werk publizistisch gegen Angriffe u. a. von A. W. Ambros.


Gedenkstätten
Büste im Arkadenhof der Wr. Univ. (v. Edmund Klotz).
Ehrungen
ao. Mitglied der königl. Böhm. Gesellschaft der Wissenschaften 1854; w. M. der kaiserl. Akademie der Wissenschaften 1869; Reg.rat 1870; Hofrat 1874; Ritterkreuz des österr. Leopoldordens 1889; Erhebung in den Adelsstand 1896.
Schriften
Leibniz u. Herbart. Eine Vergleichung ihrer Monadologien 1849; Philosophische Propädeutik, 2 Bde. 1853; Gesch. der Aesthetik als philosophischer Wissenschaft, 2 Bde. 1858–65; Studien u. Kritiken zur Philosophie u. Aesthetik, 2 Bde. 1870; Anthroposophie im Umriss. Entwurf eines Systems idealer Weltsicht auf realistischer Grundlage 1882.
Literatur
F. Kürnberger in Sonntagsbll. 1848; F. Krauß in Neue illustrirte Ztg., 6.1.1884; F. v. Saar in Jb. der Grillparzer-Ges. 1895; H. Spitzer in Wr. Ztg. 28.5. u. 29.5.1895; Wurzbach 60 (1891); J. Lewinsky in Jb. der Grillparzer-Ges. 1898; L. Müllner in NFP 10.11.1898, Morgenblatt; Beiträge v. A. Pallavicini u. E. Reich in Jb. der Grillparzer-Ges. 1899; V. J. Karabacek/F. Jodl in Almanach der kaiserl. Akad. der Wissenschaften 1899; F. Jodl, Vom Lebenswege, hg. v. W. Börner1916; B. Münz in ADB 45 (1900); H. Spitzer in Biographisches Jb. u. dt. Nekrolog 1900; E. Winter, R. Z.s Philosophische Propädeutik u. die Vorlagen aus der Wissenschaftslehre Bernard Bolzanos 1975; Ch. G. Allesch, Gesch. der psychologischen Ästhetik 1987; Beiträge von H. Pfeiffle u. G. W. Cernoch in M. Benedikt/R. Knoll (Hg.), Verdrängter Humanismus – Verzögerte Aufklärung 3 (1995); K. Blaukopf, Die Ästhetik Bernard Bolzanos 1996; E. Morscher in H. Ganthaler/O. Neumaier (Hg.), Bolzano u. die österr. Geistesgesch. 1997; L. Wiesing, Die Sichtbarkeit des Bildes 1997, 25–54; H. Lorenzová in Historická Olomouc 11 (1998); P. Stachel in S. Rinofner-Kreidl (Hg.), Zw. Orientierung u. Krise 1998; K. Blaukopf in M. Seiler/F. Stadler (Hg.), Kunst, Kunsttheorie u. Kunstforschung im wissenschaftlichen Diskurs 2000; G. Payzant, Eduard Hanslick and R. Z. 2001 (www.rodoni.ch/busoni/cronologia/note/hanslick.pdf [7/2006]); Beiträge v. L. Schneider u. L. Wiesing in A. Hoeschen/L. Schneider (Hg.), Herbarts Kultursystem 2001; L. Schneider in M. Perraudin/H. Koopmann (Hg.), Nachmärz u. Realismus 2003; Ch. Landerer, Eduard Hanslick u. Bernard Bolzano 2004; www.univie.ac.at/ivc/WWUK/phase4zb.html (7/2006).

Autor*innen
Peter Stachel
Letzte inhaltliche Änderung
18.7.2006
Empfohlene Zitierweise
Peter Stachel, Art. „Zimmermann, Robert von“, in: Oesterreichisches Musiklexikon online, begr. von Rudolf Flotzinger, hg. von Barbara Boisits (letzte inhaltliche Änderung: 18.7.2006, abgerufen am ), https://dx.doi.org/10.1553/0x00025479
Dieser Text wird unter der Lizenz CC BY-NC-SA 3.0 AT zur Verfügung gestellt. Das Bild-, Film- und Tonmaterial unterliegt abweichenden Bestimmungen; Angaben zu den Urheberrechten finden sich direkt bei den jeweiligen Medien.

MEDIEN

DOI
10.1553/0x00025479
GND
Zimmermann, Robert von: 118637002
OBV
Weiterführende Literatur

ORTE
Orte
LINKS
ACDH-CH, Abteilung Musikwissenschaft

Publikationen zur Musikwissenschaft im Verlag