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Zwettl
Zisterzienserabtei und Stadt (seit 1200, seit 1971 Stadtgemeinde) im Waldviertel (Niederösterreich). Das Stift Z. wurde am 31.12.1137 von Hadmar I. von Kuenring gegründet und von Heiligenkreuz aus besiedelt. Von der Choralpflege ab dem 12. Jh. zeugen mehrere Gradualien, Antiphonare, Missalien und Psalterien. Um 1268 scheint in Z. ein Skriptorium existiert zu haben, jedenfalls wurden zu dieser Zeit mehrere Handschriften kopiert, darunter das Graduale Cod. 400 des Gottfried von Neuhaus (Jindřichův Hradec/CZ) mit (römischer) Quadratnotation auf vier roten Linien. Erwähnenswert ist u. a. ein deutscher Hymnus zur Kreuzverehrung Chrewtz getrewes aus dem 15. Jh. (Cod. 325). 1519 wurden in den Cod. 185 zwei deutsche Kirchenlieder eingetragen, darunter das Z.er Marienlied in 24 Strophen mit Quadratnotation. Relativ frühe musiktheoretische Abhandlungen finden sich in Cod. 328 (13. Jh., Kopie verschiedener Traktate und eines Tonars aus der Zisterzienserabtei Baumgartenberg, A-Wn 787) und Cod. 355 (um 1200, Exzerpt aus den Etymologiae des Isidor von Sevilla).

Gemäß einer neuen Theorie soll Walther v. d. Vogelweide aus dem (heute nicht mehr existenten) Dorf Walthers bei Z. gestammt haben und könnte demnach im Stift seine Ausbildung genossen haben. Der später mit dem Kloster in Verbindung gebrachte Reinmar v. Zweter kommt nicht von dort.

Im 14. Jh. erfolgte ein wirtschaftlicher Niedergang der Abtei, doch bestand seit spätestens 1383 in der Stadt Z. nachweislich eine sog. externe Schule, in der bedürftige Knaben neben der Unterweisung in den artes liberales auch Gesangunterricht erhielten und als Sängerknaben im Chor verwendet wurden: die Annalen erwähnen einen „Ludimagistrum cum pueris pauperibus, qui in Choro cantantium interfuere […]“. 1426/27 belagerten Hussiten erfolglos die Stadt Z. und verwüsteten dabei das Stift. Aus der Zeit um 1440 hat sich ein Chorbuch-Fragment mit sechs Gloria-Sätzen in weißer Mensuralnotation erhalten (s. Abb.), das wahrscheinlich von J. Lupi geschrieben wurde. Aus 1513 datiert der erste Beleg für eine Orgel im Stift. 1543 wurde sie von dem aus dem Kloster Strahov in Prag kommenden Orgelbauer Jakob Königswerth erweitert, der vermutlich in Z. eine Werkstätte betrieben und auch aus Wien (St. Stephan) und Prag Aufträge für Orgelerweiterungen erhalten hat. Um 1500 war bereits ein Hornwerk in einem der Türme des Stiftes errichtet worden.

Im Zuge der Türkenkriege und -belagerung (1529) wurden Stift und Kirche beschädigt und die Schule aufgelöst. 1573 sind wieder zehn Knaben im Stift dokumentiert. Unter der Regentschaft des Abtes Ulrich Hackl (1577–1607) konnte sich das Kloster konsolidieren. Um 1600 speisten an der Tafel drei Bassisten, der Präzeptor, der Organist, ein Diskantist, ein „Trumblschlager“ und sieben Schüler. An Organisten aus dieser Zeit sind Georg Schlör (1595), sein Nachfolger Jonaß Waidrash und Johann Pregmisten (1598–1600) bekannt. Schulmeister und Kantor war 1597/98 Georg Grammer. Ein umfangreiches Inventarium über das Kloster und Abtey Zwettel von 1611 verzeichnet v. a. geistliche Werke des 16. Jh.s. Auch Schuldramen wurden in Z. aufgeführt, wie das von Abt Johannes Seifried (reg. 1612–25) noch in Heiligenkreuz 1606 verfasste Spiel Joannes Calybita mit vierstimmigen Chören.

Im 17. Jh. sind die Namen der Schulmeister und Organisten beinahe lückenlos überliefert. Unter den Organisten, die z. T. auch Orgel unterrichteten, sind u. a. zu nennen: J. Weichlein (1632–39), Georg Hösch (1651–54), Matthias Philipp (1660–64), die wahrscheinlich verwandten, beide aus Weikersdorf/NÖ stammenden Thomas Paulus Dantzer (1665–77) und Thomas Tanzer (1685–89, war vorher Sängerknabe), F. Weichlein (1681), Johann Friedrich Schmidpauer (1678–81 und 1689–93, danach Wirt im Stift). Abt Bernhard Link (reg. 1646–71), ein Neffe von Abt Seifried und Geschichtsschreiber seines Klosters (1723 und 1725 wurden seine Annales Austrio-Claravallenses in zwei Bänden gedruckt), änderte 1650 die „Spitalsordnung“, sodass auch mittellose Knaben in die Schule aufgenommen wurden. Die Aufsicht oblag dem Präzeptor (Mönch oder Laie), wobei Gesang- und Instrumentalunterricht sowie Figuralmusik Teil der Ausbildung waren. Der bedeutende Abt Melchior von Zaunagg (reg. 1706–47), der 1697–1701 Sängerknabenpräfekt und Regens chori gewesen war, erließ 1700 eine Distributio temporis seu Norma vivendi pro Alumnis Monasterii Zwethalensis, in der nicht zuletzt die musikalische Ausbildung (Vormittag und Nachmittag „Singstundt“) festgesetzt ist. Unter Zaunaggs Regentschaft wurde 1730/31 die berühmte Egedacher-Orgel errichtet (III/36, s. Abb., restauriert 1981–83 von Ge. Hradetzky und 1991 von Jürgen Ahrend). Die kleine Chororgel (I/8, s. Abb.) wurde 1727 von J. Moysé erbaut.

1768 vertonte J. Haydn den Applausus Jubilaeum virtutis Palatium (Hob. XXIVa:6) zum 50-jährigen Professjubiläum des Abtes Rainer Kollmann (reg. 1747–76), wahrscheinlich über Vermittlung des damaligen Sängerknabenpräfekts J. N. Werner. Weitere diesem Abt gewidmete Festmusiken erklangen 1772 und 1775.

Ab dem frühen 19. Jh. wurden anstelle von Choralämtern auch große geistliche und weltliche Vokalwerke aufgeführt, u. a. J. Haydns Schöpfung (1816) und Jahreszeiten (1817) sowie Auszüge aus L. v. Beethovens Fidelio (1822). Als wichtiger Komponist und Organist wirkte bis zu seinem Tod 1823 der Subprior N. Weigl. Sein Schüler in Z. war P. M. Kerschbaum. Ebenfalls komponiert hat Prior Coloman Assem (1831–1915), der 1867 das weit verbreitete Kirchengesangbuch Ehre sei Gott in der Höhe herausgab. Um 1880 machte sich auch in Z. der Einfluss des Cäcilianismus bemerkbar, an hohen Festtagen wurden a-cappella-Messen (häufig Palestrinas Missa Papae Marcelli) mit choraliter gesungenem Proprium aufgeführt. Sängerknabenpräfekten waren P. Eugen Duffek (1850–1908) und P. Gilbert Kocmoud (1873–1928). 1942 bauteF. Molzer d. J. eine elektropneumatische Orgel (III/53). 1938–45 war das Sängerknabenkonvikt aufgelöst, 1950 wieder errichtet. Seit den 1980er Jahren findet jährlich das Orgelfest Stift Z. statt, die künstlerische Leitung hat (2006) die Organistin E. Ullmann. Für Z. komponierte Augustin Kubizek das szenische Oratorium Hadmar, der Kuenringer (1980) und G. v. Einem die Missa Claravallensis op. 83, beide Werke wurden 1988 uraufgeführt. Die Z.er Sängerknaben, die derzeit von Andrea Weisgrab geleitet werden (2006), unternehmen auch Konzertreisen ins In- und Ausland. Ehemalige Sängerknaben waren die Komponisten R. Weissensteiner und E. Schandl. Aus Alt-Sängerknaben formiert sich die Schola Zwettlensis.

Um 1120 errichteten die Kuenringer eine Burganlage mit einer romanischen Kirche. Die Stadt Z. erhielt am 28.12.1200 durch den Babenberger-Hzg. Leopold VI. das Stadtrechtsprivileg verliehen. 1376 ist als erster Schulmeister Niklas Pachmüllner urkundlich bezeugt. Vom städtischen Musikleben sind erst ab dem 19. Jh. aussagekräftige Daten bekannt. Nach der Revolution 1848 und der Gründung einer Nationalgarde übernahm der Lehrer und Chorregent Franz Weigelsperger die Musikkapelle. 1862 gründete Karl Wittowitz den MGV Z., der im ersten Vereinsjahr 53 ausübende Mitglieder zählte. 1872–82 war W. Heybal Chorregent in Z. und leitete daneben den MGV. 1902 wurde im Rahmen des 17. Sängerfestes des Waldviertler Sängergaues (Sängerbund) dessen 40-jähriges, 1962 das 100-jährige Jubiläum gefeiert; 1969 Umbenennung in Gesangverein Z. 1907–47 wirkte J. Biedermann als Regens chori in Z.; er gründete auch eine MSch., an der er bis zur Schließung 1936 lehrte. 1957 wurde die MSch. wieder errichtet. 1887 erfolgte unter dem Protektorat von C. M. Ziehrer die Gründung des Musikvereins der Stadt Z. (seit 1960 Musikverein C. M. Ziehrer); Kapellmeister der Zwischen- und Nachkriegszeit war Johann Weinpolter (* ?, † 14.3.1961), bis 1965 Karl Gündler (ca. 1900–70), der auch Leiter der Blasmusikkapelle war. Nach Gündler leiteten 1965–67 Franz Helmreich, 1967–72 Anton Wohak, 1972–91 Hans Helmreich und seit 1991 Josef Paukner den Musikverein.


Literatur
P. H. Özelt in Jahresbericht 1959–60 des Bundes-Gymnasiums u. Realgymnasiums Krems 1960; MGG 14 (1968); St. Holzhauser in SK 13 (1965/66); H. Hakala, Chronik der Stadt Z.-NÖ 1986; Ch. Ziegler/J. Rössl, Zisterzienserstift Z. Kat. der Hss. des Mittelalters, 4 Bde. 1985–97; K. v. Fischer in Acta mus. 36 (1964); H. Wolfram et al. (Hg.), [Kat.] Die Kuenringer. Das Werden des Landes Niederösterreich. Stift Z. 1981; W. Klomfar in H. Birkhan (Hg.), [Kgr.-Ber.] Der 800jährige Pelzrock. Walther von der Vogelweide – Wolfger von Erla – Zeiselmauer. Zeiselmauer 2003, 2005; G. Lade in Das Orgelforum 5 (2002); ÖL 1995; Erhart 1998 [Biedermann; Heybal]; MaÖ 1997 [Einem; Kubizek]; G. Hradetzky in Österreichisches Orgelforum 1985, H. 1 u. H. 2; G. Lade in Das Orgelforum Nr. 1 (1988); www.stift-zwettl.at (7/2006); www.cmz.zwettl.at (7/2006).

Autor*innen
Alexander Rausch
Letzte inhaltliche Änderung
15.9.2020
Empfohlene Zitierweise
Alexander Rausch, Art. „Zwettl‟, in: Oesterreichisches Musiklexikon online, begr. von Rudolf Flotzinger, hg. von Barbara Boisits (letzte inhaltliche Änderung: 15.9.2020, abgerufen am ), https://dx.doi.org/10.1553/0x0001e7d3
Dieser Text wird unter der Lizenz CC BY-NC-SA 3.0 AT zur Verfügung gestellt. Das Bild-, Film- und Tonmaterial unterliegt abweichenden Bestimmungen; Angaben zu den Urheberrechten finden sich direkt bei den jeweiligen Medien.

MEDIEN
Egedacher-Orgel© Christian Fastl
© Christian Fastl
Chororgel© Christian Fastl
© Christian Fastl
Chorbuchfragment (um 1440)© Stift Zwettl
© Stift Zwettl

DOI
10.1553/0x0001e7d3
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