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Apollo
Varietébühne, Operettentheater, danach Kino in Wien VI, Gumpendorferstraße 63/Ecke Kaunitzgasse 2–4, eröffnet am 1.9.1904 nach Plänen des Architekten Eduard Prandl. Zunächst als großstädtisches Varietétheater mit Restaurantbetrieb und Raucherlaubnis mit einer im Vergleich zu einem „Volltheater“ kleineren und technisch weniger gut ausgestatteten Bühne geführt, stand es mit seinen ursprünglich fast 1.600 Plätzen in Konkurrenz zum Ronacher. Im Souterrain befand sich der „Biertunnel“, in dem anfangs täglich die Kapelle Drescher auftrat, später andere Ensembles, etwa 1913 D’Neustifter Schrammeln mit ihren Sängern. Im Eröffnungsprogramm, einer Abfolge aus 15 unterschiedlichen Varieténummern inklusive Akrobatik und Tierdressur, wirkten u. a. R. Waldemar und Adele Moraw mit. Als eine Art Vorläufer des Tonfilms wurde die neue Erfindung „Biotophon“ (später „Apollo-Bioskop“) präsentiert, beworben als „singende und sprechende Photographie“. Anfangs geleitet von Ben Tieber (1867–1925), der zunächst als Pächter, nach einem Jahr als Besitzer des Theaters fungierte („Ben Tiebers A.-Varieté-Theater“, später „Ben Tiebers A.-Künstler-Theater“), traten auch international bekannte Künstlerinnen und Künstler auf. Einen Teil des Programms bildeten ab Herbst 1907 auch Operetteneinakter, u. a. von J. Bayer, E. Eysler, F. Albini, C. M. Ziehrer, B. v. Ujj, H. Reinhardt, B. Granichstaedten, R. Stolz, H. Dostal, L. Ascher, R. Fall, die hier häufig zur UA gelangten. Tieber gelang es, das A. zu einer der erfolgreichsten Bühnen Wiens zu machen. Während des Ersten Weltkriegs war der Austausch internationaler Varietékräfte verboten, wodurch das Genre großteils zum Erliegen kam. In der Folge brachte das A. auch größere Operetten (etwa von R. Fall, E. Eysler, B. Granichstaedten, R. Benatzky), die bald den Schwerpunkt des Programms bildeten. Ab der Spielzeit 1920/21 führte Direktor Herbert Trau (1886–?) das A. als Operettentheater und eröffnete am 1.9.1920 mit der erfolgreichen deutschsprachigen EA von Albert Szirmais Der Pusztakavalier (dt. T: R. Bodanzky). Nach Traus Wechsel ans Wiener Stadttheater übernahm Ende Mai 1922 wieder Tieber die Leitung des A. und kehrte nach einem Umbau für kurze Zeit zum Varieté zurück. Unter anderem aufgrund der offenbar zu großen Konkurrenz durch das Ronacher sowie den kleinen Vorstadttheatern, die bedeutend niedrigere Preise verlangten, hatte er damit jedoch wenig Erfolg. Nach einem erneuten Umbau, der das ehemalige Varietétheater auch baulich (der Restaurantbetrieb wurde eingestellt, die Tische durch Klappstühle ersetzt etc.) in ein Theater umwandelte, setzte er in der Saison 1923/24 nun voll auf die Operette und eröffnete am 1.9.1923 mit der österreichischen EA von O. Straus’ Die törichte Jungfrau. Aus gesundheitlichen Gründen trat Tieber jedoch bereits 1924 zurück und verpachtete das Theater jeweils für kurze Zeit an unterschiedliche Betreiber, die wieder zum Varieté zurückkehrten. Nach Tiebers Tod im Mai 1925 ging das A. an seine minderjährigen Kinder über und Viktor Eckhardt (1880–1942), Vater des Schauspielers Fritz Eckhardt, übernahm die Leitung. Nach sechsmonatiger Pause wurde das A. am 19.12.1925 zeitgemäß als Revuebühne mit der Ausstattungsrevue Apollo? Nur Apollo! (M: R. Katscher, T: F. Grünbaum und W. Sterk) wiedereröffnet. Nach erneuten Abstechern ins Varieté inklusive baulicher Rückkehr zum sog. Rauchtheater mit Tischen bedeutete die Revue Chauffeur! Ins Apollo! (M: W. Engel-Berger mit Einlagen, T: Leo Morrisson [= Julius Horst] und Fritz Lunzer), die ab 3.12.1927 lief, das Ende der Ära des A. als Theater. Eckhardt, der erst im Mai 1927 das A. als Pächter übernommen hatte, musste bereits im Frühjahr 1928 ein Ausgleichsverfahren beantragen. Nachdem bereits 1924 Pläne für einen Kinobetrieb im A. vorlagen, erwarb die Stadt Wien 1928 mit ihrer Kiba (Kinobetriebs G.m.b.H.) das A. Nach den Plänen von Carl Witzmann erfolgte 1929 ein Totalumbau, und aus dem ehemaligen Theater wurde das größte Kino der Stadt, dessen Saal rund 1.500 Plätze umfasste. Am 11.9.1929 wurde es mit dem Hollywood-Film Lady Hamilton eröffnet. Eine Kinoorgel der Firma Christie, zunächst von George Tootel, drei Wochen später von K. Eisele und ab 1935 von P. Eisele gespielt, erklang zwischen Wochenschau und Hauptfilm, davor zeigte die Apollo-Jazz unter K. Krall eine Bühnenschau. Dieser Ablauf hielt sich bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs. Nach weiteren Umbauten 1962 und 1992 erfolgte schließlich 1996 der Totalumbau zu einem modernen Kino mit 12 Sälen und insgesamt 2.160 Sitzplätzen.
Literatur
S. C. Tanner, Vom Varieté zum Kino. Die Baugesch. des Wiener „Apollo“-Varietés von 1903–1929, Dipl.arb. Wien 2005 (Druck 2009); S. C. Tanner in Wr. Geschichtsbll. 62/3 (2007); Fs. aus Anlass der Eröffnung des „Apollo“ 1929; 50 Jahre Apollo-Theater, 25 Jahre Kino-Theater, hrsg. v. der „Apollo“ Kino- und Theater-Ges.m.b.H, 1954; E. Dimitz, Das Etablissement A. [2009] (www.bezirksmuseen-wien.at); K. Schütz, Theater- und Kinoorgeln in Wien 1991; E. Günther, Gesch. des Varietés 1981, 116; Neues Wr. Journal 1.9.1904, 5; NFP 22.12.1925, 10, 13.9.1929, 8; Illustrirtes Wr. Extrabl. 7.3.1922, 8; Ostdt. Rundschau 2.9.1904, 6; Neues Wr. Tagbl. 4.10.1907, 13, 5.12.1927, 8; Allgemeine Sport-Ztg. 8.12.1907, 1437, 10.9.1916, 711, 13.10.1923, 486; Neues 8 Uhr-Bl. 1.9.1917, 3, 1.9.1923, 5; Die Stunde 4.2.1928, 4; Komödie 5.5.1923, 14; Kleine Volks-Ztg. 4.3.1928, 28; www.geschichtewiki.wien.gv.at (4/2024); eigene Recherchen (www.anno.onb.ac.at; Programmhefte [u. a. Februar 1916, April 1920, Dezember 1923, November 1926, 1927]).

Autor*innen
Monika Kornberger
Letzte inhaltliche Änderung
6.11.2024
Empfohlene Zitierweise
Monika Kornberger, Art. „Apollo“, in: Oesterreichisches Musiklexikon online, begr. von Rudolf Flotzinger, hg. von Barbara Boisits (letzte inhaltliche Änderung: 6.11.2024, abgerufen am ), https://dx.doi.org/10.1553/0x003eb8db
Dieser Text wird unter der Lizenz CC BY-NC-SA 3.0 AT zur Verfügung gestellt. Das Bild-, Film- und Tonmaterial unterliegt abweichenden Bestimmungen; Angaben zu den Urheberrechten finden sich direkt bei den jeweiligen Medien.

MEDIEN
Außenansicht (Der Bautechniker Jg. 25 [1905], Beilage, o. S.)© ANNO/ÖNB
Zuschauerraum (Der Bautechniker Jg. 25 [1905], Beilage, o. S.)© ANNO/ÖNB

DOI
10.1553/0x003eb8db
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