Die Adaptierung auf die verschiedenen Untersuchungsobjekte (in unserem Fall der Musik) kann oft sogar einen gewissen Zug von Gewaltsamkeit erhalten. So ist z. B. die unmittelbare Übertragung der geistesgeschichtlichen Kategorie „Renaissance“ (= eig. Wiedergeburt [der Antike]) auf die Musik nicht möglich. Und vollends auf der Hand liegt, dass alle E.bezeichnungen in verschiedenen Ländern (d. h. unter verschiedenen Bedingungen) nicht synchron (d. h. zur selben Zeit in gleichem Maße) sichtbar und verbindlich sein können. Die von R. G. Kiesewetter unternommene Alternative, die Musikgeschichte nach Leitfiguren einzuteilen (z. B. „Epoche Haydn und Mozart. 1780 bis 1800“) war von vornherein nur auf diesem begrenzten Gebiet möglich, hat sich aber ebenso wenig durchgesetzt wie z. B. Hugo Riemanns Benennung „Generalbaßzeitalter“ anstatt „Barockmusik“. Das Verfahren, namengebende Momente jeweils aus verschiedenen Kulturzusammenhängen zu ziehen und dann gewissermaßen zu verallgemeinern, führt außerdem dazu, dass eine Darstellung zeitlicher Zusammenhänge mehrmals auch die Beobachtungsräume und -richtungen zu ändern scheint (z. B. besondere Assoziation von „Antike“ mit Griechenland, Italien als Ausgangspunkt der „Renaissance“). Eine solche Art Leitfunktion ist zweimal auch der österreichischen Musik zuerkannt worden: hinsichtlich der Idealtypen einer Klassik in der Musik (spätes 18. Jh.) sowie für die Moderne (um 1900) ist jeweils weitgehend von hier aus (jedoch nahe liegender Weise nicht durch hiesige Wissenschaftler) argumentiert worden. Hingegen hat die Debatte über gewisse Abschnitte gerade der österreichischen Musikgeschichte (z. B. die zwischen Barock und Klassik anzusetzende Entwicklungsphase oder hinsichtlich der Berechtigung der Begriffe Romantik bzw. Biedermeier) zu keinen überzeugenden oder auch nur vorübergehend breiter akzeptierten Lösungen geführt.
Die in jedem Fall, v. a. aber einerseits durch das zunehmende Bestreben, alle Zeiten der Geschichte möglichst gleichrangig zu behandeln und andererseits aufgrund der Ausweitung der Untersuchungsbereiche (z. B. auf das sog. Abendland, auf ganz Europa, darüber hinaus) sich ergebenden Probleme haben in jüngerer Zeit dazu geführt, von Epocheneinteilungen in musikhistorischen Darstellungen mehr und mehr Abstand zu nehmen und gewissermaßen neutralere Raster (z. B. nach Jahrhunderten) zu wählen. Ob der damit verbundene Verlust an Anschaulichkeit und vielleicht sogar an Vergleichbarkeit unbedingt in Kauf zu nehmen ist, kann wohl nicht ein für allemal entschieden werden und wird von der Fragestellung abhängig bleiben.
J. Handschin, Musikgeschichte im Überblick 1948; R. G. Kiesewetter, Geschichte der europäisch-abendländischen oder unsrer heutigen Musik 1834; Z. Lissa in Polish Musicological Studies 1 (1977); MGÖ (1977–79) u. 2 (1995); R. Flotzinger in Studien zur Moderne 1 (1996); G. Gruber (Hg.), [Kgr.-Ber.] Zum Begriff der Wiener Klassik Wien 2000, 2002.