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Zwiefacher
Paarrundtanz, bei dem innerhalb der musikalischen Perioden ein Taktwechsel vollzogen wird; je nach Region auch Bairischer, Eintreter, Heuberger, Grad und ungrad, Schweinauer, Schleifer, Oberabtanz, Mischlich, Übern Fuaß u. a. genannt. Dem ständigen Wechsel von 3/4- und 2/4-Takten entspricht ein ebensolcher der tänzerischen Schrittelemente zwischen Walzer-Rundtanz und Zweischritt-Dreher. Ein einheitliches Schema für diesen Wechsel gibt es nicht, was gewisse Anforderungen an die Reaktionsfähigkeit der TänzerInnen stellt. Zu vielen Z.n werden schnaderhüpfelartige Tanzlieder gesungen – ursprünglich spontan entstandene Merkverse oder Merkzeilen zur eigenen Erinnerung und als Anregung für die Musikanten. In den älteren Notationen der Tanzmusikanten wurden die Töne in den geraden Takten nur mit halber Länge notiert (eine Achtelnote im geraden Takt war also etwa so lang zu spielen wie eine Viertelnote im ungeraden Takt), was dem Blickwinkel der Tänzer entsprach, die pro Viertelnote einen Schritt zu machen hatten. In neueren Ausgaben wird jedoch die metrische Notation bevorzugt, bei der Noten gleichen Wertes gleich lang gespielt werden, was der Sicht der Musizierenden entspricht. R. Zoder vermutete die Wurzel des Taktwechsels im Textrhythmus der Singtexte. Schon um die Mitte des 16. Jh.s gibt es taktwechselnde Tanzweisen in Lautenbüchern; mit einer taktwechselnden Melodie von 1640 ist beispielsweise auch das Lied Die Bauern von St. Pölten(Erk/Böhme 1893, Bd. 3, Nr. 1536) bekannt geworden. Über die solchen Weisen eventuell zugeordneten Tanzbewegungen wissen wir aber nichts. Als älteste verlässliche Z.n-Quelle gilt eine Niederschrift des Z.n Nagelschmied in einer Amberger Tabulatur von 1740. Johann Andreas Schmeller spricht in seinem 1827 veröffentlichten Bayerischen Wörterbuch vom „Zwifach tanzen, d. h. nach der älteren bayerischen Manier, deren Musikweise im bekannten Volksliede der Nagelschmied nachgeahmt und ausgedrückt ist.“ Die ältesten gedruckten Noten von Z.n stammen aus der 1. Hälfte des 19. Jh.s. Das Kerngebiet der Z.n ist die Oberpfalz, das östliche Mittelfranken und der nördliche Bayerische Wald, sie treten aber auch im Schwarzwald, im Böhmerwald, im Egerland und in Böhmen und Mähren auf und strahlen aus nach Oberösterreich, Salzburg, Tirol, Hessen, Baden-Württemberg und Thüringen. F. Smetana hat im 2. Akt seiner Oper Die verkaufte Braut einen Z.n, den Furiant, als Bauerntanz verwendet. In den Carmina Burana von Carl Orff kommt ebenfalls ein Z. vor. Nach Österreich sind die Z.n durch die Volkstanzpflege gelangt, wo sie heute auf keinem Tanzfest fehlen. Sie sind inzwischen so bekannt geworden, dass auch österreichische Neukompositionen in diesem Genre entstehen, z. B. Då kennt si kana aus von H. Härtel.
Literatur
A. Bauer in Zs. f. Musikwissenschaft 8 (1925); A. J. Eichenseer/W. A. Mayer, Gesungene Bairische 1976; L. Erk/F. M. Böhme, Dt. Liederhort 1893ff; A. Goldschmidt, Hb. des dt. Volkstanzes. Textband 1966; H. Härtel in Sänger u. Musikanten. Zs. f. musikalische Volkskultur 48/2 (2005), Nr. 12; F. Hoerburger, Die Z.n. Gestaltung u. Umgestaltung der Tanzmelodien im nördlichen Altbayern 1956; K. Horak in JbÖVw 30 (1981); W. Mayer in Sänger u. Musikanten. Zs. f. musikalische Volkskultur 48/2 (2005); Schneider 1985; E. Schützenberger/H. Derschmidt, Spinnradl – Unser Tanzbuch, 5 Folgen 1959; R. Zoder in Bayerisches-Südostdt. Monatsheft f. Volkskunde 14 (1941).

Autor*innen
Gerlinde Haid
Letzte inhaltliche Änderung
16.5.2006
Empfohlene Zitierweise
Gerlinde Haid, Art. „Zwiefacher‟, in: Oesterreichisches Musiklexikon online, begr. von Rudolf Flotzinger, hg. von Barbara Boisits (letzte inhaltliche Änderung: 16.5.2006, abgerufen am ), https://dx.doi.org/10.1553/0x0001e7d6
Dieser Text wird unter der Lizenz CC BY-NC-SA 3.0 AT zur Verfügung gestellt. Das Bild-, Film- und Tonmaterial unterliegt abweichenden Bestimmungen; Angaben zu den Urheberrechten finden sich direkt bei den jeweiligen Medien.


DOI
10.1553/0x0001e7d6
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