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Spielmusik
Begriff jüngeren Datums, der im Zusammenhang mit den unterschiedlich politisch und konfessionell geprägten Gruppierungen der deutschen Jugend(musik)bewegung seit den 1920er Jahren üblich wurde. Er knüpft daran an, dass in der Umgangssprache mit dem Musizieren das „Spielerische“ verbunden wird, d. h. alles, was nicht den „Ernst des (Arbeits-)Lebens“ betrifft (Spiel).

Im Rahmen von Arbeitskreisen für Haus- und Jugendmusik bildeten sich Spielkreise. Fritz Jöde und Paul Hindemith gebührt das Verdienst, in den 1920er Jahren auf die Bedeutung des Amateur- und Sp.-Repertoires hingewiesen zu haben, wobei es zu einer fruchtbaren Begegnung zwischen Alter und Neuer Musik kam. Hindemith selbst schuf mit Sp.en den Typus einer neuen Collegium musicum-Literatur, die u. a. durch Paul Höffer, H. Heiß, Walter Rein, Armin Knab, K. Marx, Helmut Degen, J. N. David, Willy Schneider, C. Bresgen und H. Regner Bereicherung erfahren hat. Noch 1955 definierte Hans Joachim Moser: „Sp., neuerer Ausdruck für (insbesondere alte und jüngste) Instrumentalmusik, oft mit dem Nebensinn einer nur ‚spielfreudigen‘, motorischen, gedanklich unbelasteten, auch tanznahen Collegiumsmusik.“

Im Zusammenhang mit der Verjüngung und Erneuerung der mitteleuropäischen Amateurblasorchester-Bewegung (Blasorchester) seit den 1950er Jahren, die von Trossingen/D, dem damaligen Hochschulinstitut für Musik unter der Leitung von Guido Waldmann, ausgegangen ist, kam die Idee auf, unterrichtsbegleitende, die jeweiligen Stufen der Entwicklung des Musikschülers berücksichtigende, die Freude am Zusammenspiel und an neuen Klängen ebenso wie die musikalische Gestaltungsfähigkeit entwickelnde „Pädagogische Sp.en für Bläser“ zu schaffen (Bläserkammermusik).

Der Grund für den Sp.-Boom ist jedoch offensichtlich nicht allein ein gewisser Wohlstand, der es seit den 1960er Jahren jedem ermöglicht, sich ein Instrument und Musiknoten zu kaufen sowie Musikunterricht zu bezahlen. Es geht primär nicht um Kunstgenuss, der junge Menschen zum Musikinstrument greifen lässt, sondern um folgende fünf Funktionen: emotional-psychische („An Musik fasziniert mich einfach das Emotionale. Daß ich mich darin ausdrücken kann, daß ich mir bestimmte Gefühle vermittle, um auch Agressionen abzubauen [...]. Musik ist für mich eine Form der Meditation“); Selbstausdruck, Identitätsfindung und Persönlichkeitsentfaltung („In Musik kann man sich selbst erkennen [...]. Ich finde mich selbst in der Musik [...]. Musizieren ist Arbeiten an mir selbst [...]. Musik ist eine Möglichkeit, seine Persönlichkeit zu entfalten“); kommunikativ-soziale („Musik ist Kommunikation auf einer sehr intensiven, sehr tiefgehenden Ebene. Kunst ist für mich Ausdrucksform, Sprache, niemals Selbstzweck [...]. Das Schöne an der Musik ist, daß ich anderen Menschen Freude bereiten kann. Ich schenke, um beschenkt zu werden“); ästhetisch-intellektuelle („Es bereitet mir Freude, ein Werk zu durchschauen, mich fasziniert, wie der Komponist sein Stück sinngemäß aufgebaut hat [...]. Ich stelle mich der Wahrheitsidee eines Stückes“); zweckrationale und pragmatische („Musik hat für mich eine praktische Bedeutung dadurch, daß sie mein Berufsziel ist“) G. Bastian). Solche Aussagen erscheinen als Widerspruch zum nur-spielerischen Sinn des Musizierens.


Literatur
H. G. Bastian, Jugend am Instrument. Eine Repräsentativstudie 1991; A. Marold, Spiel in kleinen Gruppen 1999; H. J. Moser, Musiklex. 41955; W. Suppan, Komponieren für Amateure. Ernest Majo u. die Entwicklung der Blasorchesterkomposition 1987; W. Suppan in H.-W. Heister/W. Hochstein (Hg.), [Fs.] H. Rauhe 2000.

Autor*innen
Wolfgang Suppan
Letzte inhaltliche Änderung
15.5.2006
Empfohlene Zitierweise
Wolfgang Suppan, Art. „Spielmusik‟, in: Oesterreichisches Musiklexikon online, begr. von Rudolf Flotzinger, hg. von Barbara Boisits (letzte inhaltliche Änderung: 15.5.2006, abgerufen am ), https://dx.doi.org/10.1553/0x0001e2f2
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