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St. Georgen ob Judenburg
Die Gemeinde St. G. (1849/50 errichtet) im Bundesland Steiermark, Gerichtsbezirk Judenburg, am Oberlauf der Mur, zwischen Judenburg und Unzmarkt-Frauenberg gelegen, wurde 1961 mit den Ortschaften Pichlhofen, Scheiben und Wöll vereinigt. Das Gebiet gehört zu den ältesten Kulturzentren der heutigen Steiermark, bedingt durch seine Lage an der sog. Norischen Hauptstraße (Fernverbindung von Italien zur Donau) und des fruchtbaren Bodens (am sog. Pölshals wurden Reste einer jungsteinzeitlichen Siedlung aus dem 4. Jahrtausend v. Chr. gefunden). Seit dem 10. Jh. bestand in St. G. ein großer Gutshof der Ritterfamilie Praitenfurter. Diese ließ in unmittelbarer Nähe des Hofes eine Eigenkirche erbauen, und in einer Urkunde von 1277 wird der Ort erstmals als „Sancto Georio“ erwähnt.

Die Pfarrkirche von St. G. wurde im 13. Jh. im romanischen Stil (dem Typus der Chorturmkirche zuzuordnen) erbaut und im 15. Jh. um die Apsis und Sakristei im gotischen Stil vergrößert. Das äußere Erscheinungsbild prägt der viergeschossige romanische Turm mit seiner barocken Zwiebelhaube. Der Barockaltar mit spätgotischer Marienstatue stammt aus einer Kärntner Werkstatt (um 1520). Eine Besonderheit der Kirche sind ihre um 1240 entstandenen Wandmalereien, die u. a. eine Darstellung der Georgslegende beinhalten. Diese gilt mit ihren 20 Szenen als „früheste umfangreiche Schilderung seines Martyriums“. 1878 erwähnt Janisch Glocken aus den Jahren 1667, 1709 (Florentin Streckfuß, Graz) und 1798 (Salesius Feltl, Graz). Die vier Glocken, 1863 von Karl Feltl (Graz) gegossen, wurden im Ersten Weltkrieg eingeschmolzen, die neuen von Ernst Szabó (Graz, 1885–1955) aus dem Jahre 1921 – bis auf eine – im Zweiten Weltkrieg. Drei neue Glocken wurde 1953 von J. Pfundner (Wien) geliefert. Die 1795 aufgestellte Orgel wurde 1827 erweitert und Ende des 19. Jh.s von J. Mauracher einer größeren Reparatur unterzogen.

Der früheste Hinweis auf Schulunterricht in St. G. findet sich in einer Handschrift des Jahres 1523, in der eine „schulkeischen“ [Schulkeusche = kleines Schulhaus], bewohnt von Hans von Edling als Burgrechtsbesitz, erwähnt wird. Vermutlich war dieser Mesner und Schulmeister. Als erster Schulmeister und Organist in St. G. wird 1617 Caspar Mittermaier erwähnt. Weitere Nennungen sind u. a. Bartlme Schruner (1672) und Georg Piber (1693 und 1737 bis zu seinem Tod 1.4.1746). 1752 kam Johann Dominicus Oberweger (* um 1694 Steinfeld/K, † 12.3.1755 St. G.) aus Pöls/St und nach dessen Tod folgte Matthias Franz Schwarz (* 2.2.1729 St. Leonhard [Graz II], † 6.3.1786 als Schulmeister in Pöls), der bereits 1757 wieder in Pöls war. 1784 wurde Anton Paumgartner (* 4.6.1760 Fohnsdorf/St, † 1.4.1818 St. G.) als Schulmeister bestätigt, auf den nach seinem Tod ab 2.6.1818 Michael Baumgartner, Sohn des dortigen Schulmeisters Georg Baumgartner († 12.10.1874 St. G.), folgte (* 23.9.1793 St. Peter ob Judenburg/St, der schwerkrank am 7.9.1868 in Pension ging. 1868–76 waren Josef Sperat (Lehrer aus Trieben/St, * 29.6.1845 Bernhau/Mähren [Barnov/CZ]) und anschließend Leopold Ringhofer (* 8.7.1838 Krumbach/NÖ) bis längstens 1902 Schullehrer.

Aus dem Ende des 18. Jh.s gibt es Überlieferungen zur Musikpflege in der Kirche St. G. Ein vorhandener Notenbestand (Mitte 18. bis Mitte 19. Jh.) gibt Aufschluss über die Musikpflege in der Kirche. Er wurde gesammelt von Franz Joseph Pämbgartner (II; Baumgartner, Paumbgartner), Schulmeister in Fohnsdorf (* 25.4.1732 Knittelfeld/St, † 2.4.1773 Fohnsdorf), verheiratet seit 29.10.1754 mit Johanna Pirkwieser und Sohn von Franz Joseph Pämbgartner (I; Paumgartner; * ca. 1709, † 10.1.1762 Knittelfeld; Schulmeister und Organist in Seckau und Knittelfeld, verheiratet seit 1731 mit Maria Rosalia Rechnerin [* ca. 1714 [Ort?], † 1.2.1776 Knittelfeld]) und von seinem Sohn Anton Paumgartner erweitert. In dem ca. 665 Hss. umfassenden Bestand machen mehr als die Hälfte deutschsprachige Arien mit meist geringer Besetzung aus, ein Zeichen, dass diese grundsätzlich für kleinere Kirchen hergestellt wurden. Der Hauptanteil dieser Arien (die jeweils als Autographe vorliegen) wurde von F. J. Paumbgartner (II) und dessen Sohn Anton komponiert. Sie treten auch gemeinsam mit weiteren Schulmeistern aus St. G. (z. B. Johann Senekowitsch, 1837–41 Gehilfe in St. G., † 14.5.1882) und den umliegenden Gemeinden als Kopisten des übrigen Notenbestandes (Kopien meist geistlicher Werke u. a. von Franz Bühler, A. Diabelli, Johann Melchior Dreyer, Johann Michael Hantsch, J. Haydn, M. Heimerich oder Josef Ohnewald) auf. Eine Komposition stammt auch von Johann Paumgartner (Bruder von Anton; * 31.6.1766 Fohnsdorf). Den Notenbestand verwahrt das Diözesanarchiv Graz.

Mitbetreut von St. G. wurde und wird die Kirche St. Johann in der Scheiben, die 1203 erstmals in einer Urkunde nachweisbar ist. 1360 wird der erste Mesner, auch als „campanator“ bezeichnet, genannt. Vom ersten Kirchenbau ist nichts mehr erhalten, der heutige stammt aus der Zeit um 1530, ein spätgotischer Bau, der einen wertvollen spätgotischen Flügelaltar (um 1525) beinhaltet. 1730 ist eine Orgel von Peter Joäß nachweisbar. Die Glocke wurde 1950 in der Glockengießerei St. Florian gegossen. 1602/03 wird in Scheiben erstmals ausdrücklich ein Schulmeister genannt. Wahrscheinlich ist eher, dass öfters der Mesner (wie z. B. 1721) als Schulmeister bezeichnet wird. Es dürfte auch nur Unterricht stattgefunden haben, wenn genügend Kinder geschickt wurden. So bestand 1790 keine Schule und die Kinder gingen teils nach St. G., teils nach Unzmarkt/St. 1812 wird der Lehrer Franz Jud genannt. Um 1820 soll die Schule von der Gemeinde neu gegründet worden sein. Mit Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 20. Juli 1970 wurde die Volksschule Scheiben aufgelassen und die Schüler ab 1970/71 dem Schulsprengel St. G. eingegliedert.

Der Musikverein Scheiben-St. G. (s. Abb.) wurde 1931 gegründet, erster Kapellmeister war Peter Döltelmayer (bis 1934). Nach dem Zweiten Weltkrieg haben sich die Kapellmeister Balthasar Cecon (1947–49), Wilhelm Petz (1947–59) und Adalbert Ebner (1959–63) besondere Verdienste um den Musikverein erworben. Seit April 2012 ist Gerald Reiter (* 13.9.1975) Kapellmeister, der Wilhelm Leitner (* 18.8.1966) abgelöst hatte. 1998 wurde der Musikverein mit dem „Steirischen Panther“ ausgezeichnet. Die Chorgemeinschaft St. G., 1976 von Franz Steiner gegründet, vereinigte sich 1986 unter Leitung von Johann Baumgartner (1948–2014) mit dem Kirchenchor Scheiben. Der Chor wird heute [2022] (nach Klaus Köck, * 5.4.1976, † 17.12.2021) von Gebhart Palli geleitet und als Chor St. G. geführt.


Literatur
I. Schubert in StMw 42 (1993) [mit Liste der vorhandenen Kompositionen und weiteren biographischen Angaben]; G. Lieb, Musikverein Scheiben/St. G., Dipl.arb. Graz 2001; Eberstaller 1955; W. Brunner, St. G. mit Scheiben, Pichlhofen und Wöll 1997; W. Brunner (Red.), Pfarrkirche St. G. 1989; M. Brunner (Hg.), Pfarrkirche St. G. 2000; J. Weber (Hg.), Die Pfarrkirche von St. G. mit den spätromanischen Wandmalereien CD-ROM 2003; D. Drnek, Die romanischen Wandmalereien der Pfarrkirche St. G. 2008; J. A. Janisch (Hg.), Topographisch-statistisches Lex. von Steiermark mit historischen Notizen und Anmerkungen 1 (1878), 295; Fs. 70 Jahre Musikverein Scheiben-St. G. 1931–2001 (2001); Sterbebuch der Pfarre Pöls 1784–1869, fol. 11 [Schwarz]; Sterbebuch der Pfarre St. G. 1702–70, fol. 94, 1808–64, fol. 13, 1864–1925, fol. 47; Trauungsbuch der Pfarre Fohnsdorf 1729–79, pag. 148; Sterbebuch der Pfarre Fohnsdorf 1758–84, pag. 129; http://st-georgen-judenburg.at/ (2/2022); www.blasmusik-verband.at (2/2022).

Autor*innen
ISch
Letzte inhaltliche Änderung
16.3.2022
Empfohlene Zitierweise
Ingrid Schubert, Art. „St. Georgen ob Judenburg‟, in: Oesterreichisches Musiklexikon online, begr. von Rudolf Flotzinger, hg. von Barbara Boisits (letzte inhaltliche Änderung: 16.3.2022, abgerufen am ), https://dx.doi.org/10.1553/0x003d4ba4
Dieser Text wird unter der Lizenz CC BY-NC-SA 3.0 AT zur Verfügung gestellt. Das Bild-, Film- und Tonmaterial unterliegt abweichenden Bestimmungen; Angaben zu den Urheberrechten finden sich direkt bei den jeweiligen Medien.

MEDIEN
© Ulrich Steinwider, Musikverein Scheiben-St. Georgen
© Ulrich Steinwider, Musikverein Scheiben-St. Georgen

DOI
10.1553/0x003d4ba4
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