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Garsten
Ehemalige Abtei im unteren Ennstal nahe Steyr in Oberösterreich; gegründet 1082 als Kollegiatstift, um 1108 durch Benediktiner aus Göttweig neu besiedelt und spätestens seit dem ersten selbständigen, aus St. Blasien im Schwarzwald/D kommenden und als Heiligen verehrten Abt Berthold I. (1111–42) hirsauisch geprägt. Ab der 2. Hälfte des 12. Jh.s scheint hier ein Skriptorium bestanden zu haben (hier wurde z. B. auch das Dulce solum der Carmina Burana aufgezeichnet), von den Handschriften sind nur Bruchteile erhalten, sämtliche Choralbücher sollen 1572 bei einer Überschwemmung vernichtet worden sein. Im letzten Viertel des 16. Jh.s nahm die Kirchenmusik einen gewissen Aufschwung, die ab ca. 1545 Einzug gehaltene Reformation wurde sukzessive zurückgedrängt (Gegenreformation); ein Einfluss der Grazer Jesuiten wird vermutet. Der bedeutendste Musiker der Zeit war zweifellos S. Ertl, der Organist Florian Kosorsky ging 1597 nach Salzburg und der Kantor Jakob Bor im selben Jahr nach Waidhofen an der Ybbs. Weitere namentlich bekannte Musiker zu Beginn des 17. Jh.s waren P. Pankraz Gressinger (Organist, † 1611), Christoph Deck (Dech, aus Seitenstetten), Johannes Franco (Musiker, Trompeter, Tafeldecker, Kellermeister) und Johannes Ertel (Sänger, Tafeldecker, † 1617). Um 1600 sind auch Schuldramen hier bezeugt, die Tradition der G.er Stiftsbühne reichte bis zur Aufhebung des Klosters. 1618/19 scheint auch A. Orologio hier tätig gewesen zu sein. Die Chorregenten des Stiftes sind ab ca. 1630 namentlich bekannt und stammten durchwegs aus dem Stand der Patres. Erwähnenswert sind P. Ildephons Schyll (1633–95, Chorregent 1665–95), P. Robertus Weigel (1697–1753, Chorregent ca. 1724–48), P. Alexander Fixlmüllner (1722–91, Chorregent 1752–56 und 1760–68) und P. Ernestus Koch (1751–1817, Chorregent 1776/77 und 1781/82–87). F. Weichlein war nach 1681–88 in G. Organist, ein Ignaz Seerieder nach 1686 bis mindestens 1703 Altist, Wenzeslaus Ignaz Berthold Dansky anschließend Bassist und Jakob Scherer Librettist und Basssänger. 1677–93 wurde die Stiftskirche durch Pietro Antonio und Carlo Antonio Carlone neu erbaut, die von Pietro Francesco Carlone geplanten Stiftsgebäude nach dessen Tod von Jakob Prandtauer weitergeführt. 1787 wurde das Stift aufgehoben, die noch erhaltenen mittelalterlichen Hss. kamen großteils in die Oberösterreichische Landesbibliothek Linz (Archive).

Bereits 1419 findet eine Orgel in der Stiftskirche Erwähnung (deren zu häufiger Gebrauch getadelt wurde), 1616 erfolgte ein Neubau durch einen Steyrer Orgelmacher. Die 1704 erbaute Egedacher-Orgel, an der 1755 I. Gatto arbeitete und die F. X. Chrismann 1780 noch umgebaut hatte, wurde 1788 durch P. Hötzl in die Michaelerkirche in Steyr übertragen. Auch die 1464–1792 bestandene Pfarrkirche von G. hatte eine Orgel, an der 1703 J. I. Egedacher arbeitete und die vor Abbruch der Kirche nach St. Ulrich bei Steyr/OÖ übertragen wurde. Vor Hötzl war im Ort (Steyr-)G. bereits der Orgelbauer J. D. Recher (um 1650) ansässig gewesen. Die ehemaligen Stiftsgebäude sind seit 1851 Strafvollzugsanstalt. Hier war ab 1857 C. Santner als Leiter tätig, der sich auch mit Musik als Besserungsmöglichkeit für Verbrecher beschäftigt haben soll. In jüngster Zeit ist G. auch eine Station der Oberösterreichischen Stiftskonzerte.


Literatur
K. Mitterschiffthaler in [Kgr.-Ber.] Bruckner Linz 1990, 1993; R. Flotzinger in C. Scalon (Hg.), [Kgr.-Ber.] Il monachesimo Benedittino in Friuli 2002; Kellner 1956; W. L. Smith in FAM 27 (1980); K. Holter in [Kat.] Kirche in Oberösterreich Garsten 1985, 1985; O. Wessely, Musik in Oberösterreich 1951 (bes. Abb. 7); A. Lindner, Musikpflege in den oberösterreichischen Stiften 2008; M. L. Fiala in K. Petermayr et al. (Hg.), Musikinstrumente. Hersteller, Spieler u. Slg.en in OÖ 2017.

Autor*innen
Rudolf Flotzinger
Christian Fastl
Letzte inhaltliche Änderung
13.9.2018
Empfohlene Zitierweise
Rudolf Flotzinger/Christian Fastl, Art. „Garsten“, in: Oesterreichisches Musiklexikon online, begr. von Rudolf Flotzinger, hg. von Barbara Boisits (letzte inhaltliche Änderung: 13.9.2018, abgerufen am ), https://dx.doi.org/10.1553/0x0001cea5
Dieser Text wird unter der Lizenz CC BY-NC-SA 3.0 AT zur Verfügung gestellt. Das Bild-, Film- und Tonmaterial unterliegt abweichenden Bestimmungen; Angaben zu den Urheberrechten finden sich direkt bei den jeweiligen Medien.


DOI
10.1553/0x0001cea5
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