Kaiser Maximilian I. konnte in seiner burgundischen Zeit die hohe Qualität der dortigen Musikpflege genießen; diese besondere Vorliebe für eine weltliche, mit Einsatz von Harfe, Laute, Blockflöte und Fiedel in der fürstlichen Kammer vorgetragene Musik wird durch den berühmten Teppich von Tournai (um 1480) anschaulich gemacht. Es ist anzunehmen, dass Maximilian auch in der späteren Zeit der Regentschaft in Österreich (1493–1519) diese Art des Musizierens weiter pflegte, was nicht zuletzt die Tatsache zeigt, dass er am Hofe auch instrumentale Ensembles verpflichtete. Es gibt im Allgemeinen mehrere Anzeichen für eine hohe, im frühen 15. Jh. bereits einsetzende Wertschätzung der instrumentalen Kunstmusik in Österreich, das vielleicht auffälligste ist die Erfindung des Cembalos um 1400 durch H. Poll. Seit der 2. Hälfte des 16. Jh.s ist die Kammer als höfischer Aufführungsort neben der Kapelle aktenkundig. In dieser Zeit wird der Terminus, der 1555 erstmals im Traktat des Nicola Vicentino L’Antica Musica erscheint (musica da camera), sowohl für vokale als auch für instrumentale Musik verwendet und weist in erster Linie auf den (höfischen) Ort der Aufführung hin.
Um die Mitte des 17. Jh.s geraten die stilistischen Konsequenzen, die sich aus dem Aufführungsambiente ergeben, mit der Bildung von drei großen, von Marco Scacchi kodifizierten Stilkategorien, dem stylus ecclesiastiscus (Kirchenstil), stylus cubicularis (Kammerstil) und stylus theatralis (Theaterstil), in den Vordergrund der terminologischen Bestimmung. Die wichtigsten vokalen kammermusikalischen Gattungen sind im 17. Jh. die italienische cantata da camera (Abfolge von Rezitativen und Arien bzw. Ariosi für Solo oder mehrere Stimmen, Kammerkantate) und das sowohl mit geistlichem als auch mit weltlichem Inhalt versehene deutsche Lied. In der zunehmend selbständigeren Instrumentalmusik finden stilisierte, lediglich zum Hören bestimmte Tanzsätze wie Allemande, Courante, Sarabande, Gigue etc. Eingang. Die fast ausschließlich mit Instrumenten der Violinfamilie besetzte sonata da camera (ebenfalls für eine oder mehrere Stimmen und Bass, Kammersonate) ergibt sich aus dieser Entwicklung und findet in Österreich mit J. H. Schmelzer und H. I. F. Biber bedeutende Vertreter. Georg Muffat sowie J. J. Fux reihen in ihren Suiten (Armonico tributo 1682, Concentus musicus intrumentalis 1701) italienisch und französisch geprägte Sätze im Sinne des von Muffat ausdrücklich propagierten „vermischten Stils“ aneinander. Am Beginn des 18. Jh.s setzt K. Joseph I. die Leopoldinische Tradition der Musikpflege am Hof fort. Nach dessen frühem Tod beginnt die lange Regierungszeit seines Bruders Karl VI., die musikalisch v. a. durch die Wirkung des Hofkapellmeisters J. J. Fux und des Vizekapellmeisters A. Caldara geradezu zu einer Zeit der Blüte (in Analogie zum Baustil Fischer von Erlachs oft „Reichsstil“ [Kaiserstil] genannt) führt. Beide Komponisten prägen auch die K. mit einer beachtlichen Reihe von drei- und vierstimmigen Sonaten, die eigentlich für die Kirche bestimmt sind und deshalb nur nach dem heutigen Gebrauch des Terminus der K. angehören, sowie mit vielen Partiten und Suiten. Nach dem Tod Karls VI. 1740 (Fux und Caldara starben 1741 bzw. 1736) wird die Hofkapelle wegen der Kriege, welche Maria Theresia zur Sicherung ihrer Erbfolge führen muss, durch Sparmaßnahmen stark reduziert, was naturgemäß die Musik für Theater und Kirche empfindlicher beeinträchtigt als die für die Kammer.
Ab der Mitte des 18. Jh.s ist die Tendenz festzustellen, K. nicht mehr ausschließlich für die höfische Unterhaltung zu konzipieren: Hoher und niederer Adel sowie allmählich das aufstrebende Bürgertum (bürgerliche Musikkultur) bilden einen breiter werdenden Kreis der Interessenten, an den sich die Komponisten entsprechend der Teilung in „Kenner“ und „Liebhaber“ wenden. Neben den bewährten Gattungen der Kammer- und Kirchensonate (F. I. A. Tuma, M. G. Monn) tritt v. a. durch G. Chr. Wagenseil das zwei-, drei- oder vierstimmige „Divertimento“ verstärkt in Erscheinung. Dieses besteht aus einer ungebundenen Reihe von Tanz- und neutralen Sätzen und wird kompositionstechnisch durch den sog. „neuen Ton“ in seiner österreichischen Prägung (Dur-Moll-Kadenzharmonik, Dreiklangsmelodik, Bildungen in Taktgruppen, leichte Fasslichkeit) bestimmt und meistens nach dem Reihungs-Prinzip gebaut. Im Laufe der 2. Hälfte des 18. Jh.s findet in der K. eine Fixierung von Formen (Sonate) und Satztechniken (durchbrochene Arbeit) statt, die im deutsch-österreichischen Raum bis zur zweiten Wiener Schule gültig bleiben. Mit erstaunlicher Konsequenz komponiert J. Haydn während seines ganzen Lebens Streichquartette. In offensichtlicher Anerkennung der Haydnschen Rolle zur Etablierung dieser Gattung als anspruchsvollste der K. widmet W. A. Mozart ihm seine 1785 von Artaria in Wien als op. X veröffentlichten Quartette, in denen er die von Haydn durchgesetzten formalen und satztechnischen Prinzipien aufnimmt und sie individuell ausprägt. Andere kammermusikalische Ensembles wie Streichtrios und -duos sowie Klaviertrios hat Haydn weniger anspruchsvoll gepflegt. Die zwei Klavierquartette Mozarts hingegen stießen aufgrund ihrer hohen kompositorischen Komplexität vorerst auf Unverständnis. Die immer differenziertere und technisch anspruchsvoller werdende Kompositionsweise führt zunehmend zu einer Professionalisierung der Aufführung, wodurch der soziale und aktive Aspekt der K.-Pflege beeinträchtigt wird.
Diese Tendenz führt am Beginn des 19. Jh.s einerseits zur Bildung von kompositorisch weniger anspruchsvollen Repertoires, in denen Geselligkeit (Hausmusik) und Gefälligkeit (Salonmusik) die bestimmenden Faktoren sind, andererseits zur öffentlichen Aufführung der K. durch professionelle Musiker (I. Schuppanzigh veranstaltete Kammerkonzerte in Wien ab 1804) und dadurch zur Bildung eines kanonischen, im Wesentlichen aus Kompositionen Haydns, Mozarts sowie des frühen und mittleren L. v. Beethoven bestehenden Repertoires. Die sich in dieser Weise vollziehende Neuprägung der K. führt zur Einengung ihres semantischen Spektrums mit dem darauf folgenden Ausschluss der Soloklaviersonate und der vokalen Gattungen (Lied, Duett etc.), die seit dem 19. Jh. als eigene Bereiche verstanden werden. Bei Beethoven ist die kompositorische Konzentration auf Zentralgattungen auffällig: Zeigen seine kammermusikalischen Kompositionen der Bonner und der ersten Wiener Jahre eine reiche Vielfalt an Gruppierungen und Kombinationen von Streichern, Bläsern und Klavier, so komponierte er nach 1800 fast ausschließlich Violin- und Cellosonaten, Klaviertrios und Streichquartette. Seine letzten Kompositionen überhaupt sind Streichquartette, deren jegliche gattungsspezifische Grenzen transzendierende expressive Intensität und kompositorische Tiefe das Verständnis der Zeitgenossen überforderten und zur Marginalisierung dieser Werke in der Beethoven-Rezeption führten. Ein ähnliches Schicksal erfuhren die großen kammermusikalischen Kompositionen Fr. Schuberts, welche wie seine symphonischen Werke lange Zeit im Schatten seiner Liedproduktion blieben. Das Erbe Beethovens stellte für die nachfolgenden Generationen zugleich einen Ausgangspunkt und eine belastende Herausforderung dar. Dies tritt bei J. Brahms, der seine gesamte kompositorische Tätigkeit als stete Reflexion über tradierte Konzeptionen verstand, besonders deutlich zutage. In den meisten seiner kammermusikalischen Werke übernimmt er die viersätzige formale Disposition, die sich bei Haydn, Mozart sowie dem frühen und mittleren Beethoven etabliert hatte, und verfeinert die Technik der motivischen Arbeit, die er zum tragenden Prinzip ganzer Sätze macht.
Aufgrund der ablehnenden Haltung der „Neudeutschen“ gegenüber den Gattungen der absoluten Musik wurde die K. gegen Ende des 19. Jh.s häufig in Zusammenhang mit Akademismus und Konservatorismus gebracht. Aber auch das enorme Wachstum der Orchesterapparate und der dadurch erzeugten Klangmassen trug dazu bei, dass die K. weithin als überholt galt. Ein Indiz dafür kann in der Überzeugung G. Mahlers gesehen werden, Beethovens Streichquartette seien nur noch in einer orchestralen Fassung ästhetisch zu genießen. Um so spektakulärer schlug am Beginn des 20. Jh.s dieser Anschein von Rückschrittlichkeit in das Gegenteil um: Alle kompositorischen Neuerungen A. Schönbergs, A. Weberns und Alban Bergs fanden auf kammermusikalischem Boden statt (Kammersymphonie). Die kompositorische Raffiniertheit, die subtilitas als traditionelle Eigenschaft der K., prägt einerseits die Technik der motivischen Verknüpfungen, von Schönberg zugespitzt und als „entwickelnde Variation“ bezeichnet, andererseits die v. a. von Webern minutiös durchgeführte Differenzierung des Klanges, und stellt nach der eigenen Einschätzung dieser Komponisten bei aller Gewagtheit harmonischer Loslösungen stets eine deutliche Bindung an die Tradition dar. Die in der 1. Hälfte des 20. Jh.s beginnende Tendenz zur „Kammermusikalisierung“ der Musiksprache führte in der Nachkriegszeit dazu, dass traditionelle kammermusikalische Gattungssysteme und Besetzungskonfigurationen zugunsten der unterschiedlichsten, durch besondere Klangvorstellungen motivierten Zusammensetzungen aufgelöst wurden. Einzig das Streichquartett scheint seine Sonderstellung zu behalten: Auch heute verzichten nur wenige Komponisten darauf, ein Stück für dieses Ensemble zu komponieren.
NGroveD 5 (2001) [Chamber music]; MGÖ 1–3 (1995); MGG 4 (1996); Th. W. Adorno, Einleitung in die Musiksoziologie 1962, 96–114.