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Saxophon
Mit einfachem Rohrblatt angeblasenes transponierendes Holzblasinstrument. In der klassischen Musik, im Jazz, in der Unterhaltungs- und Militärmusik gebräuchlich. Die S.-Familie besteht aus dem Sopranino- (in Es), Sopran- (in B), Alt- (in Es), Tenor- (in B), Bariton- (in Es), Bass- (in B) und Kontrabass-S. (in Es). S.e der Grundstimmungen in F (Sopranino) und in C (Sopran-S., Tenor C-Melody-S.) gelten als Ausnahmen. Die heute gebräuchlichsten Instrumente der Sopran-, Alt-, Tenor-, und Baritonlage haben einen Umfang vom notierten b bis zum fis’’’. Sopran-S.e werden zur Umfangserweiterung mit einer g’’’-Seitenklappe, Bariton-S.e mit einer a-Daumenklappe ausgeführt. Der Franzose Adolphe Sax (1814–94) ließ das S. 1846 unter der Patentnummer 3226 in Frankreich und unter der Nummer 5469 1848 in Belgien patentieren. Die Patentschriften belegen, dass das S. vorerst als Bassinstrument konzipiert war und es vorwiegend in Freiluftmusik eingesetzt werden sollte. Als Prototypen der S.e konstruierte A. Sax das S. in Es, das mit „ténor“ bezeichnet wurde, jedoch der heutigen Baritonlage entspricht, sowie das S. in C, das – die Lage betreffend – einem Bass-S. gleichkommt und visuell mit seinem aufstehenden Schalltrichter einer Ophikleide ähnelt. Laut Patent zeichnet sich das S. durch ein Kupfercorpus in Form eines parabolischen Konus aus, das auch das Überblasen in die Oktave unter Verwendung weitgehend gleich bleibender Griffe ermöglicht. Die Legierung, die in der Werkstatt von Sax zur Fabrikation von S.en verwendet wurde, entspricht der heutigen Kupfer-Zink-Legierung (CuZn 37 Pb 0,5’). Das S. wird durch ein auf den S-Bogen gestecktes Mundstück, auf dem ein einfaches Rohrblatt mittels einer Blattklemme befestigt wird, angeblasen. Die zur Zeit von A. Sax produzierten Holzmundstücke sind Mundstücken aus Kautschuk, Ebonit oder Metall gewichen. Neben dem Rohrblatt aus arundo donax stehen heute auch alternative Kunststoffprodukte zur Verfügung. Auf dem S-Bogen, der den ersten Abschnitt des Resonators bildet und Stimmung, Klangfarbe sowie Ansprache des S.s bestimmt, befindet sich das 2. Oktavloch. Die chromatische Grundtonreihe d’ bis cis’’ basiert auf 12 Tonlöchern am Hauptrohr, zu denen jeweils für c, ais und fis ein zweites hinzutritt. Die weiteren Tonlöcher des S.s dienen der Umfangserweiterung nach unten zum b (a) und zur Ausführung der Töne d’’’ bis fis’’’ (g’’’), die durch Verkürzung der schwingenden Luftsäule durch Überblasen 1. Grades entstehen und oberhalb der Tonlöcher der Grundtonreihe liegen. Bei gebogenen S.en verbindet der Stiefel mit den Tonlöchern für c’ und cis’ das Hauptrohr des Corpus mit dem Schallbecher, in dem die Tonlöcher der Töne (a), b, h liegen und dessen freies Ende umgerollt ist. Der Tonumfang des S.s kann durch Überblasen 2. und 3. Grades und/oder Anwendung spezieller Griffe nach oben, in das Altissimo-Register, erweitert werden. Moderne S.e haben eine Oktavautomatik, die bei aktiviertem Oktavhebel das selbsttätige Öffnen und Schließen von Oktavklappe 1, die am Haupttubus liegt und im Bereich d’’ bis gis’’ wirkt, sowie von Oktavklappe 2, die ab a’’ wirkt, koordiniert. Das Spezifikum der Grifftechnik des S.s liegt in der zum Tubus axial verlaufenden Bewegung der Hände im Tonbereich d’’’ bis fis’’’ (g’’’) sowie im Griffplattensystem des linken Kleinfingers. Ein obligatorischer Traggurt verlagert das Gewicht des S.s auf den Körper des Musikers und entlastet die Hände vollständig. Bass- und Kontrabass-S.e sind mit einem justierbaren Stachel ausgerüstet. Sopranino- und Sopran-S.e werden vorwiegend mit nicht gebogenem Corpus ausgeführt; Alt-S.e können mit geradem Corpus gebaut werden. Alle Tonlöcher des S.s werden mit Deckeln bzw. Klappen geschlossen, wobei Polster, die teilweise mit Resonanzplatten bestückt sind, für dichten Verschluss sorgen.

A. Sax bemühte sich um die Anerkennung seines Instruments und gab für die Geschichte des S.s entscheidende Impulse. 1845 beriet er als erster Musiker seines Instruments Jean-Georges Kastner beim Verfassen der Méthode complète et raisonnée de saxophone, die 1862 im von Sax 1858 gegründeten Musikalienverlag erschien. 1845 initiierte Sax einen öffentlichen Wettbewerb, durch den die S.-Familie in die französische Militärmusik Eingang fand. 1857 wurde er Prof. für S. am Pariser Konservatorium und somit zum Begründer der S.-Ausbildung. Das S. wurde gerne in Opern eingesetzt: So tritt das S. in C erstmals in J.-G. Kastners Oper Le dernier roi de Juda (1844) auf – zu einem Zeitpunkt, zu dem sich das Instrument noch in seiner Entwicklungsphase befand; später spielte es in Werther (1892) von Jules Massenet oder in Hamlet (1868) von Ambroise Thomas eine wichtige Rolle und fand auch in der Ballettmusik und der symphonischen Musik zumeist solistisch Platz: wie im Ballett Sylvia ou la nymphe de Diane (1876) von Léo Délibes oder in den beiden Suiten aus L’Arlesienne (1872) von Georges Bizet. Für die S.-Klasse von Sax entstanden unzählige Auftragswerke für die üblichen Abschlusswettbewerbe. Da Sax 1853 auch eine eigene Konzertgesellschaft ins Leben rief, die das S. in der Öffentlichkeit bekannt machen sollte, wurde S.-Musik interpretiert, die zumeist im Verlag von Sax herauskam. Hervorzuheben sind hier das erste Kammermusikstück für S.-Ensemble, das 1844 komponierte Grand sextuor von J.-G. Kastner sowie das 1861 erschienene Caprice et Variations für Alt-S. und Klavier von Joseph Arban. Sehr bald bildete sich auch eine S.-Quartett-Tradition aus, die 1857 mit dem 1er Quatuor op. 53 von Jean-Baptiste Singelée ihren Anfang nahm. Das S. blieb in Frankreich auch zur Jh.wende beliebt – ungeachtet der Auflösung der S.-Klasse am Pariser Konservatorium. Komponisten wie Vincent d’Indy, Maurice Ravel, Claude Debussy, Florent Schmitt und André Caplet setzten das S. solistisch oder im Orchester ein. Zu dieser Zeit war das S. auch in Amerika modern geworden. Mehrere Solowerke der genannten französischen Komponisten sind Elisa Hall (1853–1924), einer amerikanischen S.-Liebhaberin, die regelmäßig in Frankreich konzertierte, gewidmet und entstanden als Auftragswerke. In Deutschland begann mit Gustav Bumcke (1876–1963), dessen umfangreiche S.-Schule op. 42 1926 für Studenten seiner seit 1924 bestehenden S.-Klasse am Stern’schen Konservatorium in Berlin herauskam, eine S..-Tradition, die mit wenigen Ausnahmen, auf Unterhaltungsmusik basierte. Durch den deutschen S.-Virtuosen Sigurd Rascher (1907–2001) erfuhr das S. als Instrument der klassischen Musik internationale Beachtung, zumal Alexander Glasunow das Konzert für Alt-S. (1934) und Jacques Ibert das Concertino da Camera (1935) für ihn schrieben. In Paris bekleidete René Arthur Marcel Mule (1901–2001) ab 1942 die Professorenstelle für S. am Konservatorium, die nach A. Sax unbesetzt geblieben war. In dieser Position bildete er seine Vielzahl hervorragender internationaler Saxophonisten aus: unter ihnen Jean-Marie Londeix (* 1932), Serge Bichon (* 1935), Frederick Hemke (* 1935) und Eugene Rousseau (* 1932). M. Mule, der seine Karriere 1922 als Saxophonist im Orchester der Garde Républicaine begann, wird als „Vater des klassischen S.s“ bezeichnet. Er revolutionierte den S.-Klang durch die Einführung des Vibratos, verblüffte als Solist mit seiner Virtuosität und gründete 1928 das S.-Quartett der Garde Républicaine, dem wichtige S.-Quartette (A. Glasunow: Quartett in B-Dur op. 109 [1932], Gabriel Pierné: Introduction et variations sur une ronde populaire [1936]) gewidmet wurden.

In Österreich bzw. den Kronländern steht v. a. die Firma Kohlert’s Söhne in Graslitz (Kraslice/CZ) für den S.-Bau. Die drei Söhne von Vinzenz Ferarius [Fararius] Kohlert (1817–1900), Rudolf (1861–1945), Daniel (1863–1937) und Franz Josef (1866–1955) nahmen 1900 als erste österreichische Hersteller die Produktion von S.en auf. Ab 1902 signierten sie mit dem Siegel des Habsburger Adlers und ab 1907 durften sie den Titel „Kammerlieferant Seiner K. u. K. Hoheit des Erzhzg. Eugen von Österreich“ führen. Die ab 1918 tschechische Firma bereicherte den Markt – wie aus dem Firmenkatalog von 1932 ersichtlich – mit Kontrabass-S.en in Es und mit experimentellen Modellen wie der Saxo-Oboe oder der Jazz-Klarinette, bei denen das S.-Griffsystem angewandt wurde. 1929 formierte sich das Kohlert-S.-Betriebsorchester, in dem alle S.-Register (außer Sopranino) mehrfach besetzt und zwei Schlagwerke vertreten waren. In den 1920er Jahren produzierte diese Firma hochwertige Solisteninstrumente mit umgerollten Kaminen, um die Polster zu schonen und um ein optimales Abdichten zu ermöglichen. Auch wurden S.-Modelle mit Stimmschrauben am S-Bogen angeboten, die bis in die 1940er Jahre besonders von deutschen Solisten gespielt wurden.

Das S. wurde erst im 20. Jh. von österreichischen Komponisten wie A. Schönberg (Von heute auf morgen), Alban Berg (Violinkonzert, Der Wein, Lulu) und A. v. Webern (Quartett für Geige, Klarinette, Tenor-S. und Klavier op. 22, Das Augenlicht, Kantate Nr. 2 op. 31) ins klassische Orchester und in die Kammermusik aufgenommen. In Österreich etablierten die Klarinettisten Friedrich Fuchs (* 1928) und R. Jettel das S. zunächst als Instrument der Unterhaltungs- und Salonmusik. Fuchs machte in der Wiener Volksoper im Zuge seines Orchesterdiensts mit dem S. Bekanntschaft und perfektionierte sein Können dank Anweisungen E. Rousseaus. Er wurde regelmäßig als Interpret exponierter S.-Passagen in österreichischen Orchestern und in Ensembles neuer Musik engagiert und unterrichtete am Joseph Haydn Konservatorium in Eisenstadt neben Klarinette auch S. Ihm wurden zwei S.-Werke gewidmet: das S.-Konzert von E. Vogel (UA 1979) und 3 Poems von O. Strobl (UA 1979). R. Jettel, Klarinettist der Wiener Philharmoniker , komponierte virtuose S.-Soli im Stil gehobener Tanzmusik (Meine S.-Mappe: 6 Solostücke [1939], Spielereien: 4 Solostücke [1941]). Er legte aber auch den Grundstein für die moderne S.-Ausbildung mit seinem Etüdenwerk S.-Studien (2 Hefte, Neuausgabe 1984) und den 24 Etüden für S. zur Einführung in die moderne Rhythmik und Harmonik (1961). Weiters ist Ch. Gaudriot, der ab 1918 als Klarinettist im Orchester der Wiener Staatsoper und später als langjähriger Kapellmeister des Kleinen Orchesters von Radio Wien wirkte, zu nennen. Er setzte mit seinen 20 Etüden für S. (gemeinsam mit H. Schneider, 1929) entscheidende pädagogische Akzente. Im Genre der gehobenen Unterhaltungsmusik entstanden in der Mitte des 20. Jh.s unzählige S.-Solowerke österreichischer Komponisten, wie M. Schönherr, B. Hauer oder R. Kubinszky. Anfang der 1980er Jahre begann die professionelle S.-Ausbildung an den österreichischen MHsch.en mit Peter Straub in Graz und E. Rousseau in Wien. Seit 1985 wirkt Oto Vrhovnik (* 1950) als Lehrer an der MHsch. in Wien. Im selben Jahr gründete er das Austria-S.-Orchestra nach Vorbild der französischen S.-Orchester, für das Werke in großer Besetzung geschrieben wurden, darunter: Saxophonie 10 von K. Haidmayer und Kaleidoskop von F. Czibulka. 1990 rief Vrhovnik die Österreichische Gesellschaft der Freunde des klassischen S.s ins Leben, die 1991 einen Kongress in Ilz/St organisierte. Die erste Generation österreichischer S.-Quartette bildeten Ensembles wie das Wiener S.-Quartett (gegründet 1986), das Grazer S.-Quartett (gegründet 1986) und das Carinthia S.-Quartett (gegründet 1987). R. Bischof, F. Cerha, F. Czibulka, F. Dallinger, E. Hartzell, J. Hausl, P. Kont, O. Neuwirth, Gerhard Stalze, W. Steinmetz, J. Takács, E. Theis, E. Urbanner und W. Wagner widmeten sich als österreichische bzw. in Österreich wirkende Komponisten nachhaltig dem S.

Die Rolle des S.s im symphonischen Blasorchester und die Stellung der S.-Ensembles in Mitteleuropa wird seit 1997 in regelmäßigen Zusammenkünften der WASBE (Weltorganisation der Symphonischen Blasorchester und Bläser-Ensembles) in Schladming neu definiert und diskutiert.

In der österreichischen Militärmusik kamen erst laut Organisationsplan 1974 2 Alt-S.e, 1 Tenor-S. und 1 Bariton-S. standardmäßig ins Blasorchester.

Das S. im österreichischen Jazz wurde durch Musiker wie H. Koller und C. Drewo, der von Ch. Gaudriot unterrichtet wurde, geprägt. In den 1980er Jahren entstand eine aktive Jazzszene rund um die Saxophonisten K. Miklin und W. Puschnig.


Literatur
(Alphabetisch:) Le Saxophone 1 (1988), hg. v. As.Sa.Fra. (Association des Saxophonistes de France); Brixel/Martin/Pils 1982; J.-L. Chautemps et al., Le Saxophone 1987; R. J. Colwell/Th. Goolsby, The Teaching of Instrumental Music: The Saxophone 21992, 284–314; G. Dullat, S.e. Erfindung und Entwicklung einer Musikinstrumenten-Familie und ihre bedeutenden Hersteller 31999; G. Dullat, Internationale Patentschriften im Holz- und Metallblasinstrumentenbau 1 (1995); H. R. Gee, Saxophone Soloists and Their Music 1844–1985. An Annotated Bibliography 1986; E. Ferron, Ma voix est un saxophone. Essai sur le saxophone 1996; P. Harvey, S.e 1995; J. Kool, Das S. 1939 [Faks. 1989]; J.-M. Londeix, 150 Years of Music for S.e 1994; Ch. Mannsberger, Das klassische S. in Österreich, Dipl.arb. Wien 2002; M. Perrin, Le Saxophone, son histoire, sa technique, son utilisation dans l’orchestre 1977; E. Rousseau, Marcel Mule: His Life and the Saxophone 1982; D. Rycroft in The Galpin Society Journal 52 (April 1999); K. Ventzke et al., Die S.e. Beiträge zu ihrer Bau-Charakteristik, Funktion und Gesch. 31994; W. Waterhouse, The New Langwill Index 1993.

Autor*innen
Beatrix Darmstädter
Letzte inhaltliche Änderung
30.3.2022
Empfohlene Zitierweise
Beatrix Darmstädter, Art. „Saxophon“, in: Oesterreichisches Musiklexikon online, begr. von Rudolf Flotzinger, hg. von Barbara Boisits (letzte inhaltliche Änderung: 30.3.2022, abgerufen am ), https://dx.doi.org/10.1553/0x0001e068
Dieser Text wird unter der Lizenz CC BY-NC-SA 3.0 AT zur Verfügung gestellt. Das Bild-, Film- und Tonmaterial unterliegt abweichenden Bestimmungen; Angaben zu den Urheberrechten finden sich direkt bei den jeweiligen Medien.


DOI
10.1553/0x0001e068
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