Im üblichen Sprachgebrauch des 20. Jh.s ist für die Staatsbürger der USA der Begriff A. gleichbedeutend mit ihrem Land. Für Europäer schließt er oft Kanada mit ein, und auch die Einwohner der USA rechnen trotz historischer, politischer und kultureller Unterschiede stillschweigend Kanada dazu. Für die Einwohner der USA gilt die gesamte westliche Hemisphäre als „The Americas“, während der Ausdruck „Nordamerika“ öfter von Kanadiern benutzt wird, um ihre Identität zu bestärken (Mexiko mag geographisch zu Nordamerika gehören, aber es wird aus sprachlichen, historischen und gesellschaftlichen Gründen oft zu den Ländern Lateinamerikas oder Mittelamerikas gezählt). Außerdem benennt A. eine Gesellschaft und Kultur, die von der europäischen klar unterschieden wird. Insgesamt also hat der Begriff je nach Anlass und Beteiligten verschiedene Bedeutungen.
Ähnlich ist auch „Österreich“ ein unterschiedlich gebrauchter Terminus, der historisch bzw. geographisch (je nach Ausdehnung des Habsburgerreiches) angewendet wird. Die Schwierigkeit, vom 18. Jh. an „österreichisch“ und „deutsch“ allmählich zu trennen, erschwert die Angelegenheit zusätzlich, speziell für ein Rezeptionsfeld wie A., wo diese Unterscheidung innerhalb des deutschsprachigen Raumes nicht beachtet wurde – deutschsprachige Kultur wird hier ungeachtet ihrer Herkunft bis heute als „deutsch“ bezeichnet.
Seit der Frühzeit bis ins 19. Jh. war A. ein Einwanderungsland, sodass Fragen nationaler Identität bis heute Spannungen erzeugen, sowohl bezüglich der Unsicherheit von Amerikanern gegenüber ihrer eigenen (nicht-europäischen) Kultur als auch bezüglich der traditionellen europäischen Ablehnung amerikanischer Kultur. Dabei herrscht auf beiden Seiten Voreingenommenheit: Amerikaner neigen dazu, Europäer als elitär zu betrachten, während Europäer meinen, die kurze Geschichte A.s sei Grund für eine seichte Kultur. Die Auseinandersetzung um amerikanische Identität spielt für die Entwicklung amerikanischer Musik und ihrer Akzeptanz in Europa eine wesentliche Rolle, ebenso für die Bedeutung europäischer Musik in den USA (und Kanada).
Angesichts der traditionellen Einstellung gegenüber deutschsprachiger Kultur ist es nicht überraschend, dass in A. deutsche und österreichische Musik als führend angesehen werden. Und obwohl zwischen Deutschland und Österreich nicht klar unterschieden wird, ist damit die österreichische Musik und jene Süddeutschlands gemeint, mit anderen Worten, die Musik des katholischen Bereichs im deutschsprachigen Raum. Dieser genießt in A. den Ruf, zugänglichere, verständlichere Musik hervorgebracht zu haben.
Die ersten amerikanischen Siedler waren über Asien eingewanderte, sog. „Indianer“. Während der folgenden Jahrtausende entwickelten diese verschiedenen Stämme komplexe Tonsysteme, die von den europäischen Entdeckern nicht verstanden oder geschätzt werden konnten. Der Einfluss ihres musikalischen Erbes hat sich in A. nicht vor dem späten 19. und frühen 20. Jh. bemerkbar gemacht, wie die musikethnologischen Studien von Frances Densmore (1867–1957) und die Kompositionen von „Indianisten“ wie Charles Wakefield Cadman (1881–1946) und Arthur Farwell (1872–1952) zeigen, die insgesamt keinerlei Wirkung auf Mitteleuropa gehabt haben dürften (trotz der Popularität von Indianern im deutschsprachigen Raum etwa in den Romanen Karl Mays). Die frühen europäischen Entdecker und Siedler waren nicht an originaler amerikanischer Musik interessiert, sondern am Reichtum der Naturschätze der Neuen Welt.
Von Anfang an war das entdeckte Gebiet südlich des 49. Breitengrads durch verschiedene nationale Einflüsse gekennzeichnet (englisch, französisch, spanisch, holländisch, deutsch). Die von diesen Nationen kontrollierten Gebiete waren weit voneinander entfernt und das Fehlen einer zentralen Regierung trug dazu bei, dass sie ihre unabhängigen Identitäten bewahrten. Die Musik spiegelte dabei die Formen und Stile der Ursprungsländer wider, auch als die Gebiete zu einer Nation zusammenwuchsen. So sind bis heute im Kern dieser Territorien unterschiedliche europäische Einflüsse nachweisbar – französische in New Orleans, spanische in Südkalifornien oder englische in den Appalachian Mountains. Und obwohl die deutschsprachigen Länder Europas keine territorialen Ansprüche in irgendeiner Region Nordamerikas hatten, waren schon Mitte des 18. Jh.s im Osten der Vereinigten Staaten deutschsprachige Ansiedler fest etabliert. Zu den ersten Gebieten mit einer beträchtlichen Gruppe deutschsprachiger Immigranten gehörten die Staaten New York und Pennsylvania, später der obere Mittelwesten, speziell Wisconsin.
Die Erklärung der Unabhängigkeit von England als vorherrschender Kolonialmacht 1776 mündete in einen Krieg, den die Amerikaner nach sieben Jahren gewannen. Einige deutsche Söldner hatten an der Seite der Briten an den Schlachten teilgenommen und blieben im neuen Land, die Mehrzahl der deutschsprachigen Einwohner der Neuen Welt waren zu dieser Zeit allerdings religiöse Immigranten (etwa die Mährer in Pennsylvania). Die vorherrschende Musik kam damals entweder direkt aus England (einschließlich der Werke J. Ch. Bachs) oder war im englischen Stil verfertigt. Während der Name Stamitz (allerdings ohne Angabe, welcher Komponist dieses Namens gemeint ist) im frühen 18. Jh. gelegentlich auf Konzertprogrammen aus Boston und New York zu finden ist, zeigt das Konzertrepertoire ab den 1790er Jahren, wie die Musik des deutschsprachigen Europa in Gestalt der Wiener Klassiker W. A. Mozart und J. Haydn die Neue Welt erreichte. In den 1840er Jahren kam L. v. Beethoven durch amerikanische Erstaufführungen der 3., 5. und 9. Symphonie ins Repertoire, und Fr. Schubert folgte annähernd gleichzeitig mit seinen Liedern. Die Musik dieser österreichischen Komponisten durchdrang A. im 19. Jh. zunächst über die Aktivitäten der Chorvereine (etwa die bedeutende, 1815 gegründete Bostoner Händel und Haydn Gesellschaft und die seit 1823 bestehende New Yorker Chorgesellschaft) sowie durch die neugegründeten ständigen Orchester in New York (1842), Boston (1881) und Chicago (1891). Österreicher und Deutsche waren federführend bei der Gründung und Leitung dieser Ensembles – das österreichisch-deutsche Repertoire dieser Organisationen führte zur Unterdrückung der Werke amerikanischer Komponisten.
Hinter dieser amerikanischen Vorliebe für mitteleuropäische Kultur steckt allerdings mehr als nur die Nostalgie einer ständig wachsenden Zahl von Einwanderern aus jenem Gebiet. Deutsche und österreichische Emigranten glaubten an die Überlegenheit ihrer Musik. Sie brachten die ästhetischen Vorlieben der alten Welt in die Neue, wodurch Instrumentalmusik kompositorisch überwog. Aus diesem Grund befürwortete etwa der führende amerikanische Musikkritiker und Journalist John Sullivan Dwight (1813–93) die Aufführung von Symphonien Beethovens als Mittel, die Moral und Kultur der jungen Nation zu heben. Es ist nicht überraschend, dass das amerikanische Publikum diese mitteleuropäischen Musikanschauungen übernahm, die in der 2. Hälfte des 19. Jh.s und bis ins frühe 20. Jh. das amerikanische Musikleben dominierten.
Die misslungene Revolution von 1848 in Wien bewirkte eine erste große Welle österreichischer Einwanderer nach A., viele Österreicher flohen vor der darauffolgenden Unterdrückung in die Vereinigten Staaten, darunter auch Musiker. Während österreichische und deutsche Musiker weitgehend in einen Topf geworfen werden, hinterließ die importierte österreichische Musik zumindest im Bereich der Popularmusik einen besonderen Eindruck. Zunächst war es der Wiener Walzer, speziell aus der Feder von J. Strauss Sohn, der A. in den 1870er Jahren bereist hatte. Im letzten Drittel des Jh.s errang die Wiener Operette in Gestalt der Werke von Strauss und F. Lehár wachsende Beliebtheit.
Der böhmisch-österreichische Dirigent H. Balatka hinterließ als Gründer und Leiter der dortigen Philharmonischen Gesellschaft 1860–69 seine Spuren im Musikleben Chicagos. Unter seiner Leitung vermittelte das Ensemble (als Vorläufer des Chicago Symphony Orchestra) der Stadt die Bekanntschaft mit der Musik Beethovens, F. Liszts und Rich. Wagners. In der 2. Hälfte des 19. Jh.s übersiedelten bekannte österreichische Interpreten nach A. oder unternahmen Tourneen durch das Land, denn obwohl das Zeitalter der Virtuosen in Europa um 1850 weitgehend vorüber war, hatte es in der Neuen Welt, wo sich die Institutionen des professionellen Musiklebens gerade bildeten, erst begonnen. Unter den österreichischen Künstlern sind die Pianisten L. de Meyer (in A. 1845–47) und S. Thalberg (drei Tourneen durch die Vereinigten Staaten und Kanada) sowie die in der Neuen Welt gesuchte Sängerin E. Schumann-Heink zu erwähnen. Außerdem kamen zu dieser Zeit Amerikaner auch nach Wien, um Musik zu studieren, obwohl die Konservatorien und Hochschulen in Leipzig, Berlin und München die vielversprechendsten amerikanischen Musiker eher anzogen, die später führende Komponisten des Landes wurden – etwa John Knowles Paine (1829–1906), Horatio Parker (1863–1919) und George Whitefield Chadwick (1854–1931).
Angesichts des allgemeinen europäischen Vorurteils gegen A. als kulturell rückständiges Land und Österreichs Befangenheit mit seiner musikalischen Tradition ist es wenig überraschend, dass Musik der Neuen Welt nur langsam ihren Weg in die österreichischen Konzertsäle gefunden hat, und auch dann eher als Neuheit oder Kuriosität. Erstmals in österreichischen Zeitschriften des späten 19. Jh.s erschienene Artikel über das Musikleben A.s zeigen, dass die Kunstmusik A.s vorwiegend als in der mitteleuropäischen Musik verwurzelt galt. Trotz der europäischen Vorbilder fand so gut wie kein Werk amerikanischer Kunstmusik des späten 19. Jh.s, darunter die so bedeutenden Symphonien von Edward MacDowell (1860–1908), Paine und Chadwick, den Weg nach Österreich. Allerdings war MacDowell, der als wichtigster amerikanischer Komponist dieser Zeit gilt, der erste „klassische“ Komponist aus den Vereinigten Staaten, der auch in Österreich bekannt wurde. Das erste Konzert mit amerikanischer Musik fand anlässlich der Internationalen Ausstellung für Musik- und Theaterwesen am 5.7.1892 statt, wobei Werke von Frank van den Stucken (1858–1929), Paine, MacDowell, Franz Xaver Arens (1856–1932), Chadwick, Arthur Foote (1853–1937), Victor Herbert (1859–1924), Henry Schoenefeld (1857–1936) und Arthut Bird (1856–1923) aufgeführt wurden. Diese Kompositionen wurden von der Wiener Musikkritik weitgehend als hinter ihren europäischen Vorbildern an Inspiration und Kunstfertigkeit zurückgeblieben abgelehnt.
Gleichzeitig hatten aber auch die neuesten Werke „fortschrittlicher“ österreichischer Musik Schwierigkeiten in den amerikanischen Konzertsälen. Während der letzten zwei Jahrzehnte des 19. Jh.s wurden A. Bruckners 3., 4. und 7. Symphonie in New York und Boston aufgeführt und von den örtlichen Kritikern einhellig abgelehnt. Die Musik von J. Brahms fand hingegen in den 1870er und 1880er Jahren in Nordamerika trotz gelegentlicher Kritik ihrer intellektuellen Ansprüche – sie entsprach nicht dem, was man als Amerikaner vom vergnügungsliebenden Wien erwartete – ein aufnahmebereites Publikum. Nach der Jh.wende, während österreichische Unterhaltungsmusik (z. B. Operetten) in A. weiterhin eine große, aufgeschlossene Schar von Anhängern fand, wurden die Werke der Wiener Moderne (H. Wolf, G. Mahler und A. Schönberg) nur von einem kleinen Hörerkreis geschätzt, ein in Bezug auf Neue Musik allerdings weltweites Phänomen. Eine wichtige Ausnahme war dabei der Kritiker James Gibbons Huneker (1857–1921), der beispielsweise eine positive Besprechung von Schönbergs Pierrot Lunaire verfasste.
Immer wieder wurden im frühen 20. Jh. Musiker, Dirigenten und Komponisten vom „Land des Dollars“ angelockt: der böhmisch-österreichische Komponist Rudolf Friml (1879–1972) übersiedelte 1906 in die Vereinigten Staaten und v. a. dirigierte G. Mahler vier Saisonen lang in New York – 1908/09 an der Metropolitan Opera, 1909–11 die New Yorker Philharmoniker. Diese Engagements verliefen allerdings nicht zu seiner Zufriedenheit, Mahler mochte A. nicht und stritt sich mit den leitenden Direktorien. Er verließ die Vereinigten Staaten krank und niedergeschlagen und starb bald darauf in Österreich. Andere österreichische Dirigenten aber fanden weiterhin Geld und/oder Erfolg in der Neuen Welt, wie etwa F. Weingartner, der in der Saison 1913 die Boston Opera Company leitete.
Die ersten bedeutenden musikalischen Einflüsse A.s auf Österreich betrafen das Gebiet der Unterhaltungsmusik. Die weiße Truppe der Christys Minstrels aus New York trat bereits 1869 in Graz auf. Zeitgenössische Quellen lassen vermuten, dass die meisten der „exzentrischen Tänze“ auf Wiener Varietébühnen Ende des 19. Jh.s von afro-amerikanischen Liedern und Tänzen abstammten. Der erste nachweisbare Fall „amerikanischer“ Musik, die ihre Spuren in Österreich hinterließ, ist die Einführung des Cakewalk im Etablissement Ronacher im März 1903. Der Cakewalk, der sich schnell ausbreitete und zum fixen Bestandteil öffentlicher Tanzveranstaltungen wurde, blieb zwar in Wien nicht lange erhalten, aber er brachte die körperliche und akustische Gewöhnung an synkopierte Rhythmen, die zunächst mit dem Ragtime und dann der Jazz-Begeisterung in den frühen 1920er Jahren wieder aus A. nach Mitteleuropa kamen. Zu den amerikanischen Ensembles, die zu dieser Zeit durch Mitteleuropa tourten, gehörten etwa das Syncopated Orchestra von Will Marion Cook (1869–1944) und das Orchester von Sam Wooding (1895–1985). Österreichische Gruppen begannen ihrerseits Shimmies und Foxtrotts in ihre Unterhaltungsprogramme aufzunehmen, vom Jazz beeinflusste Rhythmen und Texte fanden sogar ihren Weg ins Wienerlied. Diese „Verjazzung“ der österreichischen Musikkultur fand einen Höhepunkt in E. Kreneks 1927 uraufgeführter „Jazz-Oper“ Jonny spielt auf, die – wie andere Produkte der Jazz-Kultur – von den Nationalsozialisten ein Jahrzehnt später als „entartete Musik“ gebrandmarkt wurde. Dennoch behielt der Jazz bis zum heutigen Tag einen wesentlichen Einfluss auf die Österreichische Kultur.
Schon vor dem Aufstieg des Faschismus und dem Anschluss zog ein weiterer bedeutender Aspekt amerikanischer Musikkultur österreichische Musiker nach A., nämlich die Studios in Hollywood. Komponisten wie E. W. Korngold und M. Steiner brachten den spätromantischen Tonfall aus den Konzertsälen Wiens ins amerikanische Kino, ein Tonfall, der u. a. auf farbiger Orchestrierung und üppigen Harmonien beruhte. Die Etablierung des mitteleuropäischen, spätromantischen Musikstils als Norm der Hollywood-Filme in den 1930er Jahren ist nach der Musik der Wiener Klassik der wichtigste österreichische Einfluss auf das amerikanische Musikleben. Es ist tatsächlich schwer, sich das Schaffen eines Filmkomponisten wie etwa John Williams ohne die Pionierarbeit auf dem Gebiet der Filmmusik von Korngold und Steiner vorzustellen.
Der namhafteste österreichische Komponist, der sich in A. niederließ, war A. Schönberg, der 1933 eine Einladung als Lehrer in Boston erhalten hatte und eigentlich die Neue Welt nicht mehr verließ. 1934 übersiedelte er nach Los Angeles und wurde 1936 Professor für Musik an der University of California in Los Angeles, wo er eine Generation amerikanischer Komponisten beeinflusste. John Cage (1912–92) war vielleicht der führendste Schüler von Schönberg, dessen kompositorische Ideen in Nordamerika, aber auch in Europa bis heute wirksam sind (Avantgarde). Sein Nachlass wurde lange an der University of Southern California aufbewahrt, bevor er 1998 nach Wien transferiert und im neu gegründetenArnold Schönberg Center untergebracht wurde.
Obwohl er niemals den Atlantik überquerte, hat der österreichische Musiktheoretiker H. Schenker ein musikanalytisches Erbe hinterlassen, das wesentlich auf die Musiktheorie in A. gewirkt hat. Österreichische Schüler Schenkers wie O. Jonas und F. Salzer, die 1938/39 nach A. emigrierten, setzten in verfeinerter Form fort, was als „Schenker-System“ bekannt wurde. Schenkers Ideen waren in Nordamerika vermutlich aufgrund der starken positivistischen Ausrichtung des Faches Musiktheorie besonders einflussreich, die eine Übernahme seines methodischen, quantifizierbaren und reduktionistischen Ansatzes beförderte.
Die nationalsozialistische Herrschaft in Mitteleuropa verursachte die zweite große Welle österreichischer Einwanderer in A. (Exil). Von 300 Komponisten, die Österreich damals verließen, kamen 200 über den Atlantik (Europa war zu unsicher und auch der stalinistischen UdSSR konnte man nicht trauen). Die populäre Vermutung, dass die meisten davon sich in Südkalifornien ansiedelten – eine Ansicht, die ihrerseits darauf beruht, dass die Mitglieder der Zweiten Wiener Schule als die bedeutendsten nach A. ausgewanderten österreichischen Musiker angesehen wurden – erweist sich auf Grund ihrer Verbreitung über den ganzen Kontinent als unrichtig. Mit Ausnahme Schönbergs ist es schwer, den Einfluss der Exil-Österreicher auf die nordamerikanische Musikszene zu bewerten, weil das Erziehungssystem der Neuen Welt so unterschiedliche Anforderungen an Musiker stellte: im Bereich der Univ. wurden damals Musiker vornehmlich zu Schullehrern ausgebildet. Das führte naturgemäß zur Unzufriedenheit unter jenen Immigranten, die wie etwa E. Toch (University of Southern California) an Colleges und Univ.en angestellt waren, und verringerte auch die Wirkung der Österreicher auf das örtliche Musikleben, wo Kunstmusik bedeutend weniger unterstützt wurde als in Europa. Während österreichische Immigranten (wie alle anderen aus Europa) nicht davon abgehalten wurden, ihre eigene kulturelle Identität zu erhalten, waren sie oft daran gehindert, Anschluss an das breitere amerikanische Kulturleben zu finden. Daraus ergab sich in manchen Fällen (etwa bei K. Weigl) eine weitgehend eingeschränkte Produktivität bzw. sogar das Ende oder eine Verlagerung der Tätigkeit, wenn Nordamerika kein Forum für spezielle Musikgattungen wie etwa die Operette bieten konnte. Im Fall von A. Zemlinsky führten die Strapazen der Flucht aus Europa und die schwierigen Lebensumstände in A. zum vollständigen Erliegen der Produktivität und verursachten eine Krankheit, die letztlich zum Tod des Komponisten führte. Jene, die sich anpassen konnten, wie etwa H. J. Salter, belegen die Möglichkeit des Ausweichens auf andere Gebiete – Salter wurde in Hollywood berühmt, aber nicht als „österreichischer“ Komponist, sondern als Vertreter jener Komponisten, die ins amerikanische Musikleben integriert wurden und halfen, es zu formen. Nur wenige Immigranten kehrten nach dem Krieg nach Österreich zurück, wie etwa der Musikkritiker M. Graf, der während seines Aufenthalts in den Vereinigten Staaten zwei bedeutende Bücher in englischer Sprache veröffentlicht hatte (Legend of a Musical City 1945 und Composer and Critic 1946). Das erstgenannte Buch ist insofern als Exilliteratur bemerkenswert, als Graf damit den Mythos der Musikstadt Wien in A. perpetuierte.
Eine Anzahl österreichischer Einwanderer fand auch positive Aufnahme in A. und hatte Erfolg, sodass sie auch nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges blieben. So beispielsweise R. Kolisch, dessen Streichquartett bei Ausbruch des Krieges anlässlich einer Tournee in A. geblieben war. Er konnte seine Karriere als Musiker und Lehrer in der Neuen Welt fortsetzen und entwickelte hier eine bemerkenswerte zweite Tätigkeit als Musiktheoretiker. Der österreichische Emigrant E. Gold wurde als Komponist für Film und Fernsehen in den 1960er Jahren bekannt und verfasste gefeierte Partituren für Filme wie Exodus (1960) und Judgement in Nuremberg (1961). Die aus Wien stammenden Komponisten R. Stöhr und E. Kanitz stehen für jene, die während und nach dem Krieg ihre Karrieren in A. ungehindert fortsetzten, während sie an Colleges und Univ.en (im konkreten Fall am St. Michael’s College in Vermont bzw. an der University of Southern California) unterrichteten. Aber es war nicht nur beruflicher Erfolg, der österreichische Emigranten zum Bleiben veranlasste, sie entwickelten oft verschiedene Bindungen an ihre neue Heimat und waren nicht imstande, in ein Österreich zurückzukehren, das sich zum Nationalsozialismus bekannt hatte.
Seit dem Zweiten Weltkrieg gibt es einen lebhaften musikalischen Austausch zwischen den beiden Ländern. Österreichische Dirigenten, Musiker und Komponisten wie G. v. Einem und F. Gulda waren häufige Besucher in der Neuen Welt, während Österreich und besonders Wien einen prominenten Platz im Tourneeplan amerikanischer Künstler einnehmen. Einige davon, wie der lyrische Sopran Nancy Gustafson (* 1956) und der Dirigent L. Bernstein erfreuen sich beim Wiener Publikum und den musikalischen Institutionen besonderer Beliebtheit: Gustafson hat in den letzten 10 Jahren bei zahlreichen Gelegenheiten an der Wiener Staatsoper gesungen, Bernstein wurde 1983 aufgrund seiner Verdienste als Dirigent Ehrenmitglied der Wiener Philharmoniker . Musikwissenschaftler haben auch die Länder in beiden Richtungen bereist, wie das beträchtliche Interesse amerikanischer Forscher und Musiktheoretiker an österreichischen Komponisten beweist. Nirgends erweist sich das leidenschaftliche nordamerikanische Engagement für das österreichische Musikerbe deutlicher, als etwa in der Erforschung und Pflege der Musik Beethovens und Mahlers, mit einem Beethoven gewidmeten Forschungszentrum (San José State University in Kalifornien) und einer ehrwürdigen Mahler-Gesellschaft (The Gustav Mahler Society of New York). Auf der anderen Seite haben österreichische Forscher v. a. Anteil an der Erforschung des amerikanischen Jazz.
Es ist dennoch bemerkenswert, dass in der 2. Hälfte des 20. Jh.s der wechselseitige Einfluss in der Musikproduktion von der amerikanischen Seite her stärker ist, und zwar speziell auf dem Gebiet der Popularmusik – eine Entwicklung, die jedoch angesichts der Ausdehnung des Landes und seines weltweiten kulturellen Einflusses verständlich ist. Freilich spielen in der globalisierten Kultur des 21. Jh.s, mit ihren Technologien für die großflächige und schnelle Verbreitung von Musik, nationale Grenzen eine immer geringere Rolle. Österreich hat lange versucht, eine eigene, von den deutschen Nachbarn verschiedene kulturelle Identität zu bewahren und sieht sich nun von der Hegemonie amerikanischer Kultur herausgefordert. Zu den interessantesten und erfolgreichsten Produkten regional bestimmter Musikkultur zählt der Alpenrock (Neue Volksmusik), der lokale Dialekte und Folk mit den Rhythmen und der Instrumentation des Rock verbindet. Angesichts der machtvollen Globalisierung amerikanischer Kultur ist es im beginnenden 21. Jh. aber kaum vorstellbar, dass eine Nation ihre einzigartige musikalische Identität erhalten kann.
O. G. Sonneck, Early Concert-Life in America (1731–1800), 1907; Österr. Musiker im Exil 1990; I. Harer in jazzforschung/jazzresearch 30 (1998); I. Harer in R. Flotzinger (Hg.), Fremdheit in der Moderne 1999; R. Lotz, Black People: Entertainers of African Descent in Europe, and Germany 1997; K. Preston in The Cambridge History of American Music 1998; H. Wiley Hitchcock, Music in the United States: A Historical Introduction 2000; Beiträge von M. Nussbaumer u. J. Deaville in S. Ingram et al. (Hg), Reverberations: Representations of Modernity, Tradition and Cultural Value in-between Central Europe and North America 2002.